Die Liebe des Kartographen: Roman
Dinge über das Spital herumposaunt?«
Herausfordernd schaute sie Philip an und lächelte spöttisch. Es war ihm richtig anzusehen, wie es hinter seiner Stirn rumorte â und wie unangenehm ihm dieses Rumoren war.
Und dann brach es aus ihm heraus: »Verdammt noch mal, Xelia! Und selbst wenn du mit allem recht hast! Was sollen wir denn tun? Hyronimus da herausholen? Entschuldige, aber dazu fällt mir weià Gott kein Plan ein! Ich bin kein Abenteurer, der zum Schwert greift, um sich â oder in diesem Fall Hyronimus â den Weg freizuschlagen. AuÃerdem: Wenn Adalbert sich eine saure Suppe eingebrockt hat, muss er sie auch selbst auslöffeln, oder? Das müssen wir doch alle! Und überhaupt â¦, ich â¦Â« Er schaute zu ihr hinüber, als erwarte er, dass sie seinen Satz für ihn beendete.
Aber Xelia schwieg. Dies war Philips Rede. Sollte er ruhig aussprechen, was ihm auf der Seele lag.
Verärgert schlug er mit der flachen Hand auf den Boden. »Ach verdammt!« Und als würde ihn im nächsten Augenblick wieder der Mut verlassen, platzte er heraus: »Mir wächst das Ganze langsam über den Kopf? Ich hätte mich schon längst beim Herzog melden müssen! In Stuttgart fragt man sich sicher auch schon, wo ich mich herumtreibe,jetzt, wo der Schnee alle Grenzen verwischt und ich sowieso nichts arbeiten kann. Hah â als ob ich in den letzten Wochen etwas gearbeitet hätte! Ich hinke meinem Plan doch eh schon hinterher wie ein alter Mann.« Er starrte vor sich auf den Boden, als könne er durch die Kraft seines Blickes darin die Zukunft lesen. »Und dann â was soll jetzt aus dir werden? Ich dachte doch, bei Hyronimus seist du sicher. Aber vielleicht könntest du ja auch mit mir gehen und wirâ¦Â« Er zuckte mit den Schultern.
Der Welpe war wieder zu Xelia auf den Schoà gekrabbelt. Sie streichelte ihn versonnen. Tausend Dinge hätte sie zu Philip sagen können. Dass es sein Beinbruch gewesen war, der ihn vom Arbeiten abgehalten hatte, und nicht sie! Dass er einen Boten nach Stuttgart schicken konnte, wenn dies sein Gewissen beruhigen sollte. Dass das Leben nicht immer so verlief, wie man sich das in seinen Träumen so ausmalte. Aber sie schwieg. Alle diese Dinge wusste Philip selbst, die brauchte sie ihm nicht noch unter die Nase zu reiben. Seinen letzten Satz wagte sie nicht einmal im Geist zu wiederholen. Sie und Philip? Zusammenbleiben? Ihr Herz begann so heftig zu schlagen, dass sie Angst hatte, es würde aus ihrer Brust springen. Im nächsten Moment fühlte sie Ernüchterung über sich schwappen wie einen kalten Regenschauer. Wahrscheinlich war es die blanke Verzweiflung, die ihn so etwas sagen lieÃ, oder?
Sie setzte den Hund ab und krabbelte zu Philip hinüber. Vorsichtig streichelte sie seinen Arm. Als er zu ihr aufschaute, hatte sie das Gefühl, ihr Herz würde bei seinem Anblick bluten â so viel Schmerz, soviel Ringen mit sich selbst lag darin.
»Was sollen wir nur tun, Xelia?«, flüsterte er.
~ 38 ~
Irgendwie gelang es ihnen, den Abend mit einer versöhnlichen Note ausklingen zu lassen, was aber nur daran lag, dass keiner von beiden das Thema Adalbert Hyronimus erneut ansprach. Der Bauer, dem die Scheune gehörte, brachte einen Krug Bier, saure Brotfladen und frischen Käse vorbei und wollte noch nicht einmal etwas dafür haben. Ausgehungert tunkten sie das Brot in den Käse und schlangen groÃe Bissen davon hinunter, ohne ein Wort miteinander zu reden. Noch immer sträubte sich Philip gegen die neuen Komplikationen, die er in seinem Leben sprieÃen sah wie Pilze in schwüler Witterung. Ein paar Mal öffnete er den Mund, brachte aber nichts heraus, und Xelia munterte ihn auch nicht dazu auf. Sie konnte ihre Enttäuschung über seine zögerliche Haltung nicht einfach wegfegen. Wie konnte ein Mensch, mit dem sie so starke Gefühle verbanden, derart anders denken und empfinden als sie? Sprachen sie eigentlich dieselbe Sprache?, fragte sie sich. Doch als es daran ging, sich für die Nacht fertig zu machen, krabbelte sie zu ihm unter seine Decke, schlüpfte ganz eng an ihn heran, als wolle sie durch den körperlichen Kontakt die Kluft, die zwischen ihnen entstanden war, überbrücken. Und Philip wehrte sie nicht ab, wie sie für einen kurzen Augenblick befürchtet hatte, sondern drückte sie so fest an sich, dass ihr das
Weitere Kostenlose Bücher