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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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einmal erschien ihm nichts verheißungsvoller, als aufzustehen und einfach wegzulaufen.
    Xelia warf ihm einen kurzen Blick zu, den er nicht deuten konnte. Sie seufzte. »Es ist doch nicht allein der Lohn, der eure Arbeit ausmacht, oder? Eure Hingabe an die Kranken, eure Aufopferung – wie kann diese jemals angemessen bezahlt werden?«
    Die Frau verzog den Mund. »Das ist wahr. Wir opfern uns wirklich …« Auf einmal nahm ihr Gesicht wieder den selbstzufriedenen Ausdruck von zuvor an. »Aber ehrlich gesagt wird’s einem auch redlich gedankt! Die armen Kranken haben doch sonst niemanden, der sich um sie kümmert …«
    Stur wie ein Kutscher, lenkte Xelia das Gespräch in die von ihr gewünschte Richtung, bevor das Weib mehr sagen konnte. »Allein der weite Weg ins Spital! Ob Winter oder Sommer, ihr müsst doch jedem Wetter trotzen!«
    Marlenes Augen wurden dunkel. In ihrem Blick lag einerseits Erstaunen darüber, dass eine Fremde den wahren Wert ihrer Arbeit erkannte, andererseits glaubte Xelia, Angst darin aufflackern zu sehen. »Ja«, sagte sie. »Ganz genau. Im tiefsten Schnee ziehen wir den Wagen mit der Dreckwäsche ebenso wie in der prallen Augustsonne. Wie soll die Arbeit sonst auch geschafft werden?«
    Philip fragte sich, was Xelia damit bezwecken wollte, dem Weib Honig ums Maul zu schmieren. Das war doch sonst nicht ihre Art – wenn er nur an ihre hitzigen Dispute in der Höhle dachte!
    Xelia kräuselte sorgenvoll die Stirn, legte ihren Zeigefinger auf die Lippen und gab ein Bild tiefsten Nachdenkens ab. »Ich frage mich, was geschieht, wenn eine von euch beiden einmal krank wird? Die armen Leut’ im Spital – das möchte ich mir gar nicht vorstellen! Da wäre doch ein geregeltes Leben hinter den hohen Mauern gar nicht mehr möglich.« Sie schüttelte den Kopf und streichelte den Hund, als erwarte sie keine Antwort.
    Marlene Steinbrenner bekreuzigte sich, als könne sie dadurch Krankheit und anderes Übel von sich fern halten. »Da würden die im Spital ganz schnell einen Ersatz für uns finden«, antwortete Barbara. »Was glaubst du, wie viele Weiber nur darauf lauern, uns die Arbeit streitig zu machen.« Sie machte eine Kopfbewegung, die wohl auf die Nachbarhöfe deuten sollte.
    Als habe sie einen Entschluss gefasst, fixierte Xelia die Ältere mit festem Blick. »Und was ist mit deinem Kreuz? Wie du dich bei diesen Schmerzen überhaupt noch aufrecht halten kannst, ist mir ein Rätsel. Aber was geschieht, wenn das eines Tages nicht mehr geht? Und glaube mir, dieser Tag kommt eher, als du denkst.«
    Â»Eines Tages gar nicht mehr gehen? Das wär’ mein Ende, gewiss.« Marlenes Augen waren groß vor Angst, ihre Stimme klang gepresst. »Sieht man mir meine Qualen denn schon so sehr an?« Barbara zog hörbar den Atem ein, und auch ihr Vater schien nun bei der Sache zu sein.
    Xelia versuchte, ein weises Gesicht zu machen. »Ich bin Heilerin. Und ich verstehe mein Handwerk. Schließlich ruft man mich nicht umsonst nach Stuttgart …«
    Â»Ja!« Philip fuchtelte ganz aufgeregt mit den Händen. Endlich verstand er, wohin der Hase lief? »Simone Hauber sieht den Leuten an, welche Krankheit ihren Körper auffrisst. Das ist eine ihrer großen Gaben. Und die andere … ihre Salben sind die reinsten Wundermittel!« Er hätte Xelia küssen können! Welch’ genialer Geistesblitz! Damit hatte sie die Flamme angezündet, welche die Motten anlocken würde …
    Zwischen den drei Bauersleuten wanderten Blicke hin und her. Unter dem Tisch versetzte der Mann seinem Weib einen kleinen Schubs, woraufhin sie ihm etwas zuzischte. Es war ihnen anzusehen, dass sie gern ein paar Worte ohne fremde Zuhörer miteinander geredet hätten.
    Die Bauersfrau sprach als Erste wieder. »Es ist wirklich schlimm mit dem Kreuz. An manchen Tagen kann ich kaum aufstehen, so reißt’s in den Lenden. Als ob der Teufel selbst …« Der Rest ging in einem Seufzer unter. Es kam sicher nicht oft vor, dass sie es sich erlaubte, über ihr Leiden zu reden. Mit blecherner Stimme sprach sie weiter: »Täglich bet’ ich zum Herrgott, dass er mich weiterarbeiten lässt.« Sie rieb sich die Augen, doch Xelia hatte den Tränenglanz längst gesehen. »Meine Mutter selig – dielag ganze fünf Jahre auf ihrem Strohsack, bevor der

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