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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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bestürzt. »Ich habe keine Eile. Tut mir leid, wenn ich Sie gekränkt habe.«
    »Nein. Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie gekommen sind. Ich habe eine Dummheit gemacht. Gestern Abend hatte ich den Eindruck, Sie wären die Doppelgängerin einer Frau, die ich mal gekannt habe. Es war dunkel, und das Licht blendete.«
    Jetzt war sie gekränkt. Er hatte ihr zum Vorwurf gemacht, dass sie nicht aussah wie eine andere.
    »Nur darum ging’s also«, sagte sie. »Sehr witzig.«
    Einen Augenblick schwiegen beide.
    Plötzlich kam ihr die Erleuchtung. »Sie waren mit Minna Davis verheiratet, nicht? Entschuldigen Sie, wenn ich das anspreche…«
    Er legte möglichst unauffällig Tempo zu.
    »Ich bin ein ganz anderer Typ als Minna Davis«, sagte sie, »falls Sie die gemeint haben. Vielleicht haben Sie an die Bekannte gedacht, mit der ich zusammen war, die sieht Minna Davis ähnlicher als ich.«
    Das war jetzt unwichtig. Es ging nur noch darum, die Sache schnell zu Ende zu bringen und abzuhaken.
    »Ja, kann sein, dass Sie die gemeint haben. Sie ist meine Nachbarin.«
    [108] »Ausgeschlossen«, sagte Stahr. »Ich erinnere mich an Ihren silbernen Gürtel.«
    »Stimmt, das war meiner.«
    Sie waren jetzt nordwestlich vom Sunset Boulevard und fuhren durch einen der Canyons bergan. Bungalows mit hellen Fenstern säumten die kurvenreiche Straße, und der elektrische Strom, durch den diese Häuser lebten, quoll als Radiogeraune hinaus in die Abendluft.
    »Das letzte Licht da oben – das ist Kathleens Haus. Ich wohne gleich daneben, hinter der Kuppe.«
    Wenig später sagte sie: »Halten Sie hier an.«
    »Ich denke, Sie wohnen auf der anderen Seite.«
    »Ich möchte bei Kathleen aussteigen.«
    »Aber ich…«
    »Ich will doch selber zu ihr«, sagte sie ungeduldig.
    Stahr schob sich nach ihr aus dem Wagen. Sie ging auf ein neuerbautes kleines Haus zu, das von einer Weide fast wie von einem Dach überwölbt wurde, und er folgte ihr mechanisch zur Haustür. Sie klingelte und machte Anstalten, sich zu verabschieden.
    »Tut mir leid, dass ich Sie enttäuscht habe«, sagte sie.
    Jetzt war es ihm leid um sie – leid um sie beide.
    »Es war meine Schuld. Gute Nacht.«
    Ein Lichtkeil fiel aus der sich öffnenden Tür, und eine Frauenstimme fragte: »Wer ist denn da?« Stahr sah auf.
    Da war sie – das Gesicht, die Gestalt, das Lächeln, umflossen von dem Licht, das aus dem Haus drang. Minnas Gesicht – die Haut mit diesem eigenartig phosphoreszierenden Glanz, der großzügig geschwungene Mund, dem jede Berechnung fremd war, und vor allem die [109] unvergessliche Fröhlichkeit, die eine ganze Generation in ihren Bann gezogen hatte.
    Wie schon am Vorabend blieb ihm beinah das Herz stehen, aber diesmal ging damit ein Gefühl wunderbaren Wohlbefindens einher.
    »Edna? Du kannst nicht hereinkommen«, sagte die Frau. »Ich bin beim Putzen, und das ganze Haus riecht nach Ammoniak.«
    Edna lachte auf, laut und ordinär. »Ich glaube, der wollte zu dir, Kathleen.«
    Die Blicke von Stahr und Kathleen trafen aufeinander und verschlangen sich. Für einen Augenblick gab sich einer dem anderen so rückhaltlos hin, wie sie es später nie mehr wagen sollten. Dieser Blick war inniger als eine Umarmung, beschwörender als ein Schrei.
    »Er hat mich angerufen«, sagte Edna. »Offenbar hat er gedacht…«
    Stahr trat ins Licht und unterbrach sie.
    »Ich fürchte, wir waren gestern Abend im Studio recht ruppig.«
    Aber für das, was er wirklich sagte, gab es keine Worte. Sie hörte begierig hin und schämte sich nicht. Das Leben schoss in ihnen hoch wie eine Flamme – Edna war in ferne Dunkelheit gerückt.
    »Sie waren nicht ruppig«, sagte Kathleen. Ein kalter Wind wehte ihr die braunen Locken um die Stirn. »Wir hatten dort nichts zu suchen.«
    »Ich würde mich freuen, wenn Sie beide zu einer Besichtigung ins Studio kommen würden«, sagte Stahr.
    »Wer sind Sie? Ein wichtiger Mann?«
    [110] »Er war mit Minna Davis verheiratet, er ist Produzent.« Edna verkündete es wie einen guten Witz. »Und mir hat er eben ganz was anderes erzählt. Ich glaube, er ist in dich verknallt.«
    »Sei still, Edna«, fuhr Kathleen sie an.
    »Ruf mich an«, sagte Edna rasch, als hätte sie ihre Taktlosigkeit erst jetzt begriffen, und stakste zurück zur Straße. Aber das Geheimnis der beiden nahm sie mit – sie hatte in der Dunkelheit einen Funken überspringen sehen.
    »Ich erinnere mich an Sie«, sagte Kathleen. »Sie haben uns vor der Überschwemmung gerettet.«
    Was nun? Die

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