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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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wollte lieber selbst Fragen stellen.
    Nina wunderte sich, wie abfällig Isabella über junge Männer sprach, und noch mehr wunderte sie sich darüber, dass Isabella mit ihnen offenbar schon Küsse ausgetauscht hatte. Aber vielleicht war das unter der heißen Sonne in Cádiz so üblich, und deshalb sagte sie nichts.
    »Wie habt Ihr eigentlich Seine Lordschaft kennengelernt, Mylady?«
    »Oh!« Ninas Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an. »Es ist noch gar nicht so lange her. Knapp acht Jahre, wenn ich richtig rechne. Es war in der Sierra de la Demanda, ganz in der Nähe des alten Zisterzienserklosters Campodios, wo ich zur Schule ging und wo Vitus, ich meine, Seine Lordschaft, Unterricht erteilte.«
    »Es passierte also während des Unterrichts?«
    »Nein, nein.« Nina lächelte. »Da sind wir uns nur nähergekommen. Im Vertrauen: Seine Lordschaft war sehr schüchtern. Richtig gefunkt hat es erst während eines schrecklichen Gewitters. Wir hatten uns unter einem Baum in Sicherheit gebracht, und irgendwann ließ es sich nicht mehr vermeiden, dass er mich schützend in die Arme nahm.«
    »Das stelle ich mir sehr romantisch vor, Mylady.« Isabella dachte, dass die Nacht, die sie mit Vitus in Doktor Halls Kammer verbracht hatte, vielleicht nicht so romantisch gewesen war, dafür aber ungleich leidenschaftlicher.
    Ninas Gesicht leuchtete, denn sie besann sich immer wieder gern auf die Stunde, in der sie und Vitus sich ihre Liebe gestanden hatten. »Ja, Isabella, es war ein überwältigendes Glücksgefühl, das wir beide spürten. Ich wünsche Euch von Herzen, dass auch Ihr so etwas eines Tages erlebt.«
    »Ich weiß nicht, Mylady.« Isabella spielte die Zweifelnde. »Ich bin schon neunzehn und noch immer ohne Mann. Wahrscheinlich werde ich eines Tages als alte Jungfer enden.«
    Nina lachte. »Grämt Euch nicht! Mit dem Alter ist es eine seltsame Sache: Solange man noch keinen Mann hat, fühlt man sich mit jedem Tag mehr als Greisin, ist man dann aber verheiratet, wird man mit jedem Tag wieder jünger. Ich selbst bin sechsundzwanzig, habe drei Kinder geboren und fühle mich keinen Tag älter als Ihr. Wisst Ihr was? Wir sollten einander duzen. Das ist hübscher und im täglichen Umgang auch viel einfacher.« Nina trieb ihr Pferd dicht an Isabellas Seite und umarmte sie. »Ich bin Nina, aber das weißt du ja sicher schon.«
    »Es ist eine große Ehre für mich … Nina.«
    Die beiden Frauen küssten sich auf die Wange, und Nina sagte: »Ich will nachher dafür sorgen, dass du dich auch mit Vitus duzt, er wird sicher nichts dagegen haben.«
    »Oh, danke, Nina.«
    Langsam ritten sie weiter.
    Nina hatte den Kopf voll angenehmer Gedanken und Isabella ebenso.
    Doch Isabellas Gedanken waren ganz anderer Art.
     
     
     
    An einem Morgen nur wenige Tage später erschien Hartford mit dezentem Räuspern im Spanischen Zimmer, ein Tablett mit mehreren Köstlichkeiten zum Frühstück vor sich hertragend. »Ich bringe Euch die Morgenspeise, Miss Isabella.«
    Isabella gähnte ausgiebig. Sie hatte sich angewöhnt, immer länger in den Tag hineinzuschlafen, da das Leben auf dem Schloss sie langweilte. Die Tage verliefen eintönig, einer glich dem anderen, und nur die gelegentlichen Besuche der Schneiderin stellten eine Ausnahme dar. Auch hatte sie Vitus längere Zeit nicht mehr unter vier Augen gesehen, und das trug ebenfalls zu ihrer Langeweile bei. Irgendetwas musste sie sich einfallen lassen, um ihm wieder näherzukommen. Allerdings würde das nicht ganz einfach sein, denn Nina, die bäurische Schlossherrin, scharwenzelte ständig um ihn herum.
    »Ich hoffe, ich habe Euch nicht geweckt, Miss Isabella?« Hartfords hochmütiges Gesicht verzog sich zu einem angedeuteten Lächeln.
    »Das hast du nicht.« Isabella setzte sich im Bett auf, damit der Diener das Tablett vor sie hinstellen konnte. Dabei sorgte sie wie zufällig dafür, dass ihr Nachtgewand sich öffnete und ihre Brüste sichtbar wurden. »Was bringst du mir denn Schönes?«
    »Äh, nun …« Hartford bekam Stielaugen und versuchte, seine Konzentration auf das Mitgebrachte zu lenken. »Weißes Brot, wie Ihr es schätzt, Miss Isabella, Pflaumenmus, Obst, ein gekochtes Ei, ich betone: nur ein Ei, und für den Wunsch nach Deftigerem ist auch gesorgt: gebratene Nierchen und Blauschimmelkäse, dazu einen verdünnten Andalusier.«
    »Du verwöhnst mich, Hartford. Wie ist das Wetter draußen?«
    Hartford zog die Vorhänge zurück und meldete: »Ein schöner Tag, Miss Isabella, ein

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