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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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paar Wolken am Himmel, aber viel Sonne. Ein Tag zum Ausreiten, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
    »Ich habe ja niemanden, der mich begleiten würde. Ich halte mich den ganzen Tag im Schloss auf und sehe anderen bei der Arbeit zu.« Isabella begann zu essen, aber mit wenig Appetit, was weiter nicht verwunderlich war. Wer nichts tat, konnte kaum hungrig sein.
    Hartford schürzte die Lippen. »Ich, äh, würde Euch gern begleiten, Miss Isabella, aber leider lässt der Dienst mir keine Zeit dazu.«
    »Du? Mich begleiten?« An Hartford als Kavalier an ihrer Seite hätte Isabella zuallerletzt gedacht. »Kannst du denn überhaupt reiten?«
    »Selbstverständlich.« Hartfords hochmütiges Gesicht wurde womöglich noch ein wenig hochmütiger. »Ich war lange Jahre Assistent von Mister Catfield, dem Verwalter. In dieser Eigenschaft ritt ich mit ihm häufig über die Ländereien Seiner Lordschaft, um die Dörfer und Höfe zu inspizieren. Davor war ich der persönliche Diener des alten Lords, der viel zu früh an der unheilbaren Schüttellähmung starb.«
    »Schüttellähmung?«
    »Man nennt das Leiden auch Zitterkrankheit. Der Kranke vermag dabei die Hände keinen Augenblick ruhigzuhalten, seine Stimme gleicht einem einförmigen Singsang, und seine Schritte werden kleiner und kleiner, bis er am Ende nicht mehr gehen kann und sein Herz stehenbleibt. Jedenfalls wählte Lord Odo mich seinerzeit für diese ehrenvolle Aufgabe aus, weil ich selbst aus gutem Hause stamme.«
    Hartford blickte bei seinen letzten Worten fast trotzig drein und sprach weiter: »Nur durch eine Verkettung unglücklicher Umstände musste ich als junger Mann in die Rolle des Dienenden schlüpfen.«
    »Wie kam das?« Isabellas zunächst mäßiges Interesse nahm zu. Sie trank von dem Wein und biss in einen Apfel. Sie tat es, ohne den Mund weit aufzumachen, denn sie wollte nicht, dass Hartford ihre Zahnlücken sah – Hartford nicht und alle anderen im Schloss auch nicht. Deshalb lachte sie nie und lächelte stets mit geschlossenem Mund.
    »Es ging um eine Frau, Miss Isabella.« Hartfords Worte kamen scheinbar widerstrebend, während er mit einem Tuch die Krümel von der Bettdecke wedelte.
    »Hast du sie sehr geliebt?« Isabella gewährte ihm einen weiteren Blick auf ihre Brüste.
    »Nun, äh, wie meinen?«
    »Ob du sie sehr geliebt hast?«
    »Ja, Miss Isabella. Doch leider nicht nur ich.«
    »Es gab also noch einen anderen. Und den hast du …?«
    Hartford nickte schwer. »So ist es, Miss Isabella. Ich musste über Nacht verschwinden und bin bis heute nicht zurückgekehrt.«
    »Das tut mir sehr leid. Das Leben ist ungerecht. Ich habe es selbst am eigenen Leibe erfahren.« Isabella nahm von dem Weißbrot und dem Pflaumenmus und dachte, dass die Informationen, die Hartford in seiner Eitelkeit ausgeplaudert hatte, ihr noch sehr von Nutzen sein könnten. »Du kannst jetzt gehen.«
    Etwas ernüchtert verließ Hartford das Spanische Zimmer.
    Beim Hinausgehen stolperte er fast über Nella, die im Nebenzimmer mit einer Näharbeit beschäftigt war.
     
     
     
    »Ich bin dir dankbar, dass du dir meine Zähne ansehen willst«, sagte Isabella am darauffolgenden Sonntag zu Vitus. Man schrieb den 30 . Juni, und ganz England befand sich mittlerweile in fieberhafter Erwartung der Armada. Doch in Greenvale Castle war davon wenig zu spüren, und auch Vitus hatte andere Dinge im Kopf, denn er widmete seine ganze Aufmerksamkeit abwechselnd seiner Familie und der Verwaltung seiner Güter.
    Deshalb war es ihm zunächst auch wenig angenehm gewesen, von Isabella um ärztlichen Rat gebeten zu werden, aber er hatte schlecht nein sagen können, umso mehr, als Isabella und Nina mittlerweile gute Freundinnen waren und Nina sicher wenig Verständnis für eine ablehnende Haltung gezeigt hätte. »Ich bin Arzt, und wenn jemand ein körperliches Problem hat, helfe ich ihm – ohne Ansehen der Person. Warum ich dich allerdings ausgerechnet im Spanischen Zimmer untersuchen soll, verstehe ich nicht. Aber es ist auch nicht so wichtig. Setz dich da ans Fenster, damit ich besser in deinen Mund hineinschauen kann.«
    Isabella gehorchte umgehend, nicht nur, weil Vitus’ Anordnung sehr bestimmt klang, sondern auch, weil sie froh war, endlich den richtigen Anlass gefunden zu haben, mit ihm für eine Weile allein sein zu können.
    »Schau zum Licht und mach den Mund auf.«
    Isabella strahlte ihn an, schloss die Augen und öffnete die Lippen wie zum Kuss.
    »Was soll das?« Er runzelte die

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