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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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geschah nicht.«
    »Was geschah denn?«, fragte Steel.
    »Die englische Galeone, die den Fangschuss hätte setzen können, drehte ab und schonte das Leben meiner Männer. Ihr Capitán ließ mir sogar seine Empfehlung ausrichten. Ich weiß nicht, warum, aber es war tatsächlich so. In jedem Fall hat dieser Capitán ein leuchtendes Beispiel für Großmut und Manneszucht abgegeben.«
    »Was Ihr nicht sagt!« Steel hing an Don Pedros Lippen. »Und wie heißt dieser Captain?«
    »Sein Name, so wurde mir berichtet, ist Taggart. Es muss sich wohl um jenen Taggart handeln, der Anfang der siebziger Jahre unsere Schatzgaleonen in der Karibik überfiel, aber in diesem Fall, wie gesagt, handelte er wie ein echter Caballero.«
    »Sir Hippolyte Taggart gehört zu meinen besten und ältesten Freunden«, sagte Vitus, der fand, dass die Unterhaltung zum ersten Mal eine erfreuliche Wendung nahm.
    »Was Ihr nicht sagt!« Don Pedro musterte Vitus. »Darf ich fragen, ob Capitán Taggart mit seiner
Falcon
ebenfalls an den kommenden Schlachten teilnehmen wird?«
    Steel mischte sich ein: »Das dürft Ihr fragen, Don Pedro, aber Ihr werdet darauf keine Antwort erhalten. Ich versichere Euch jedoch, dass unter den englischen Seefahrern viele sind, die ähnlich wie Taggart gehandelt hätten.«
    »Dem will ich nicht widersprechen«, sagte Don Pedro höflich und tupfte sich einen Suppentropfen von seinem gepflegten Bart.
    Vitus sagte: »Ritterlichkeit ist eine Tugend, die über alle Grenzen und über alle Feindschaft hinweg verbindet. Ich hoffe, sie wird der Maßstab für alle kommenden Kampfhandlungen mit der Armada sein.«
    »Wo wir gerade von der Armada sprechen«, nahm Steel den Faden wieder auf, »könnt Ihr uns sagen, Don Pedro, was genau die Armada in unseren Gewässern vorhat?«
    »Sicher kann ich das, aber ich werde es nicht tun.«
    »Nun ja.« Steel schluckte mannhaft die Retourkutsche. »Wie auch immer die Armada im Einzelnen vorgehen mag, sie wird ihre Ziele nicht errreichen. Und wir, wir werden gewinnen, und dann, ha, ha, Don Pedro, hoffe ich, dass Eure Verwandtschaft gut bei Kasse ist, denn ich werde für Euch ein stattliches Lösegeld fordern.«
    »Dass Ihr den Wert meiner Person so hoch einschätzt, ehrt mich«, entgegnete der Spanier kühl. »Doch Eure Ansicht, dass Ihr den Krieg gewinnen werdet, kann ich nicht teilen. Am Ende wird der Sieg unser sein.«
    »Ha, ha! Eher geht in der Hölle das Feuer aus! Wir werden gewinnen, niemand anderes als wir! Ihr Spanier kennt euch nicht aus im Kanal, habt keine Ahnung von Windverhältnissen, Meeresströmungen, Wassertiefen und Gezeiten …« Steel brach ab, vielleicht, weil er merkte, dass der Alkohol ihm zusehends die Zunge löste und seine Rede distanzlos wurde.
    Don Pedro de Acuña lächelte wieder sein feines Lächeln. »Ganz so unwissend, wie Ihr glaubt, Capitán, sind wir nicht. Wir haben gute Karten, wir haben gute Lotsen, wir haben seemännisches Geschick. Kennt Ihr einen gewissen Lucas Janszoon Waghenaer?«
    »Wie? Äh, natürlich.« Steel versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass der Name ihm wenig sagte.
    »Der Mann ist Holländer. Er schuf vor vier Jahren den ersten Seeatlas, den sogenannten
Spiegel der Seefahrt.
Darin findet sich eine Karte, die Südengland mit seinen Häfen in allen Einzelheiten zeigt. Ferner den Kanal, den er als
Canalis inter Angliam et Galliam
bezeichnet. Die Abbildung zeigt alle wichtigen Meerestiefen sowie die Bodenbeschaffenheiten der verschiedenen Regionen. Ihr seht, ganz so unwissend, wie Ihr behauptet, sind wir nicht. Wir werden unseren Weg gehen, und wir haben, in aller Bescheidenheit, mit dem hölzernen Halbmond eine Schlachtformation entwickelt, die uns alle Möglichkeiten offenlässt. Der Halbmond ist unzerstörbar. Er ist ein seemännisches und organisatorisches Kunstwerk, das seinesgleichen sucht. Im Übrigen vertrauen wir auf die Jungfrau Maria, die auch ›Die Jungfrau der Navigatoren‹ genannt wird. Sie wird unseren Schiffen den siegreichen Kurs weisen.«
    »Woran ich nicht zweifle!«, rief Isabella mit leuchtenden Augen.
    Die darauffolgende peinliche Stille versuchte Vitus zu entschärfen, indem er sagte: »Um Missverständnissen vorzubeugen, Gentlemen, möchte ich versichern, dass Ihr soeben nur den halben Ausruf meiner Frau gehört habt. Im vollen Wortlaut wollte sie sagen: ›Woran ich nicht zweifle, ist der Sieg der englischen Geschwader!‹ Stimmt’s, meine Liebe?«
    Er sah Isabella so drohend an, dass sie nicht zu

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