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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Gezeitenstrom.«
    »Das stimmt«, sagte Vitus.
    Don Pedro sagte nichts.
    Er wandte sich ab und ging.
     
     
     
    Zur gleichen Zeit schlief Hartford tief und fest in seiner Kammer, die nur wenige Schritte entfernt von den Gemächern der Lordschaften lag. Er war früh zu Bett gegangen, denn er hatte am nächsten Tag Wichtiges zu erledigen.
    Als der Tag graute, erhob er sich, kleidete sich an, verrichtete die ihm obliegenden Aufgaben und sprach, nachdem er das Frühstück serviert und anschließend wieder Ordnung geschaffen hatte, seine Herrin mit kaum verhohlenem Hochmut an: »Mylady, ich darf fragen, ob Ihr mit meiner Arbeit zufrieden seid?«
    Nina, die sich wie jeden Vormittag mit den Kindern und Nella im Kleinen Salon aufhielt, legte verwundert ihre Stickerei zur Seite. »Nanu, wie kommst du denn auf diese Frage?«
    »Wenn Ihr zufrieden mit mir seid, wollte ich um ein paar freie Stunden nachsuchen. Auch ein Mann wie ich hat ab und zu private Dinge zu erledigen.« Hartford zog die Augenbrauen hoch, was ihm den Ausdruck eines Uhus verlieh.
    »Natürlich.« Dass Hartford ein Privatleben hatte, war Nina noch niemals in den Sinn gekommen. »Wir kommen schon ohne dich aus.«
    An Hartfords Miene erkannte Nina, dass sie sich falsch ausgedrückt hatte. Wahrscheinlich passte es ihm nicht, dass etwas problemlos ohne ihn laufen sollte. »Ich meine, natürlich wirst du uns fehlen, wann willst du denn zurück sein?«
    Hartford setzte zu einer Antwort an, aber Nella kam ihm zuvor: »Hartford wird uns nicht fehlen«, sagte sie.
    »Nee, kein bisschen«, sagte Odo.
    »Nicht die Bohne«, sagte Carlos.
    Alle drei lachten.
    Hartfords Gesichtsausdruck war ein einziger Vorwurf. »Ich werde um die dritte oder vierte Nachmittagsstunde wieder hier sein, Mylady. Wenn Ihr gestattet, nehme ich mir ein Pferd, ich muss, äh, nach Brighton.«
    »Tu das nur, Hartford. Wenn irgendetwas sein sollte, wird uns Mary oder Molly helfen.«
    »Danke, Mylady, ich darf mich dann empfehlen.«
    Hartford deutete eine Verbeugung an und machte sich auf den Weg zur Tür. Beim Hinausgehen hörte er zu seinem Ärger, wie Carlos seinen letzten Satz nachäffte: »Danke, Mylady, ich darf mich dann empfehlen.«
    Er biss die Zähne zusammen und schritt weiter. Wenn alles gutging musste er sich derlei Frechheiten nicht mehr lange bieten lassen.
    Bei den Stallungen traf er auf Keith, der ihn feixend begrüßte: »Sieh da, die personifizierte Überheblichkeit erscheint! Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?«
    Hartford schluckte die Kröte hinunter. Normalerweise unterließ er es niemals, Keith darauf hinzuweisen, dass dieser ihn nicht zu duzen und schon gar nicht zu beleidigen habe, schließlich war er, wenn auch nicht der Höhergestellte, so doch immerhin der Ältere. Aber diesmal unterließ er es, denn er wollte den Stallmeister um einen Gefallen bitten. »Ich brauche ein Pferd.«
    Keith grinste noch immer bis über beide Ohren. »Das brauchen viele. Willst du ausreiten?«
    »Es geht dich zwar einen feuchten Kehricht an, aber genauso ist es.«
    »Bedaure. Im Moment ist keines der Pferde verfügbar.«
    Das hatte Hartford sich fast schon gedacht. »Und wie wäre es, wenn Lady Nina ausreiten wollte? Wäre dann auch kein Pferd verfügbar?«
    »Das wäre natürlich was anderes.«
    Hartford schnappte nach Luft. So eine Unverschämtheit hatte er sich schon lange nicht mehr bieten lassen müssen. Aber er brauchte das Pferd, und deshalb sagte er: »Ich habe die ausdrückliche Erlaubnis der Herrin, ein Pferd nehmen zu dürfen. Willst du Wurm dich etwa darüber hinwegsetzen?«
    Das wollte Keith natürlich nicht, weshalb er klein beigeben musste und Hartford kurze Zeit später auf einem schönen dunkelbraunen Wallach saß, der ihn in Richtung Brighton trug.
    Doch sein Ziel war nicht die alte Hafenstadt an der Südküste, es war die Küste selbst. Nach knapp zweistündigem Ritt erreichte er die weißen Klippen. Wenn er nicht am Ziel gewesen wäre, hätte er eine Pause machen müssen, denn das Wetter zeigte sich von seiner unfreundlichsten Seite. Es regnete Bindfäden, und es blies ein stürmischer Wind. Er schlug sich die Arme um die Schultern, um sein Blut in Wallung zu bringen, und ritt dann vorsichtig weiter auf dem schmalen Pfad, der unmittelbar am Klippenrand entlangführte.
    Nach hundert oder hundertfünfzig Schritten begegnete ihm ein alter Mann, der einen Beutel in der Hand trug. Einer Eingebung folgend, hielt er den buckligen Alten an und fragte, nachdem er kurz die

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