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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Strand und schossen zurück.
    »Runter mit den Köpfen.«
    Weitere Schüsse.
    »Pullt, pullt, pullt!«
    »Wir schaffen es!«, hörte Vitus eine Stimme rufen. Es war die von Ted.
»Hooray, hooray, hooray!«
    Er sank zurück und verlor die Besinnung.
     
     
     
    »Das war knapp«, sagte jemand zu ihm.
    Er schlug die Augen auf und erblickte den Magister. Der kleine Gelehrte lag wie er noch im großen Beiboot und wartete darauf, an Bord der
Camborne
gehievt zu werden. An Deck erklangen Befehle, Schritte polterten, Geschäftigkeit herrschte. Er hörte, dass die Geschützpforten geöffnet und die Kanonen ausgerannt wurden. Ein Gefühl grenzenloser Erleichterung durchströmte ihn. Die Gefahr war überstanden, der kleine Gelehrte gerettet. »Ja«, sagte er, »aber jetzt bist du in Sicherheit.«
     
     
     
    Ein Tag war vergangen. Vitus hatte sich von der ungeheuren Anstrengung so weit erholt, dass er sich die Wunde des Magisters ansehen konnte. Es war ein faustgroßes Loch oberhalb des rechten Beckenknochens. Das Fleisch war durch die Musketenkugel bis zum Ansatz der unteren Rippe herausgerissen worden, die Leber war gottlob nicht verletzt.
    »Es ist nur ein Kratzer«, sagte der Magister, der auf der linken Seite lag, damit Vitus die Verletzung besser betrachten konnte.
    »Kratzer ist gut. Du musst Höllenqualen durchgestanden haben, als ich dich im Schweinsgalopp zum Beiboot trug.«
    »Ich habe noch ganz andere Sachen aushalten müssen.«
    Vitus fragte sich, was damit wohl gemeint war, beschloss aber, sich zunächst auf die Wundversorgung zu konzentrieren. »Ich sehe, jemand hat die Blessur schon behandelt. Wer war das?«
    »Ich selbst.«
    »Was, du?« Vitus wunderte sich. »Hattet ihr keinen Arzt an Bord?«
    »Ich würde ihn eher als Schlachter bezeichnen. Er fiel schon im Kanal. Seitdem waren wir ohne Arzt.«
    »Das müssen ja schlimme Zustände bei euch an Bord gewesen sein.«
    »Schlimm ist gar kein Ausdruck.«
    Vitus beschloss abermals, nicht weiter zu fragen. Die Verletzung hatte Vorrang. Er ging zum Regal des Behandlungsraums, wo er mehrere Pulver aufbewahrte, und entschied sich für eines, das die Wirkstoffe von Arnika und Beinwell enthielt. »Die Wunde ist tief, die Wundränder sind entzündet. Aber am Boden hat bereits der Heilungsprozess eingesetzt.«
    »Ist mir auch schon aufgefallen. Habe die Wunde gewaschen und danach gut bluten lassen, um dem Wundbrand ein Schnippchen zu schlagen.«
    »Das scheint dir gelungen zu sein.«
    »Habe eben gutes Heilfleisch.« Zum ersten Mal, seit sie wieder zusammen waren, lachte der Magister.
    »Trotzdem wollen wir den Genesungsvorgang unterstützen. Ich werde die Wunde nicht nähen, dazu ist es zu spät, sondern nur die Ränder behandeln.«
    »Womit?« Wie immer wollte der kleine Gelehrte alles ganz genau wissen.
    Vitus erklärte es ihm. Anschließend legte er einen Verband an und verordnete Ruhe. »Am besten, du schläfst dich gesund.«
    »Ich will aber nicht schlafen.«
    Vitus musste lächeln. Der Magister begann wieder der Alte zu werden. »Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
    »Ich … ich muss mit dir reden.«
    »Was, jetzt? Ich glaube nicht …«
    »Doch!«
    Vitus kannte den Starrsinn des kleinen Gelehrten. Wenn der sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war er durch nichts davon abzubringen. Andererseits war die Gelegenheit günstig, denn niemand sonst befand sich im Raum. »Gut, reden wir.« Er setzte sich auf die Kante der Pritsche.
    »Tja.« Der Magister kratzte sich an der hohen Stirn. »Jetzt, wo du einverstanden bist, fällt mir auf einmal nichts mehr ein.«
    »Mir würde es auch schwerfallen, den Anfang zu machen.«
    »Habe mir in der Vergangenheit tausendmal überlegt, was ich sagen würde, wenn wir uns wieder träfen. Aber jetzt ist Ebbe in meinem Hirn.«
    Vitus legte die Hand auf den Arm des kleinen Gelehrten: »Sag doch einfach, dass es dir leidtut. Dann erginge es dir nämlich genau wie mir. Mir tut es auch leid, dass der verdammte Krieg uns auseinandergebracht hat. Wie leid, das kann ich dir gar nicht sagen. Es gab Tage, da hätte ich mein Leben dafür gegeben, mit dir reden zu können.«
    »So war’s auch bei mir.« Die Augen des Magisters leuchteten.
    »Ich hätte mich niemals so benehmen dürfen, als du Greenvale Castle verlassen wolltest.«
    »Ich hätte niemals gehen dürfen. Nicht wegen dieses Scheißkriegs.«
    Eine Weile sagten beide nichts.
    »Ist jetzt wieder alles gut?«, fragte der Magister.
    »Natürlich, altes

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