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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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einzige Frau an alle »vermietet werden sollte«, wie er es ausdrückte. Natürlich von ihm.
    Und zu ebendieser Frau war er unterwegs. Allerdings mit einem kleinen Umweg, der ihn zu einem Säufer führte, der seines Körpergestanks wegen Odder genannt wurde. Odder lebte im Vorschiff, und wenn er nicht gerade sturzbetrunken war, zeichnete er die widerwärtig schönsten Nacktbilder, die man sich vorstellen konnte.
    Es dauerte eine Weile, bis Pigett Odder im Dämmerlicht zwischen zwei leeren Weinfässern aufgespürt hatte, und auch das gelang nur, weil Odder so gottserbärmlich schnarchte. »He, wach auf!« Pigett trat Odder in den Hintern.
    Aber Odder hatte wieder einmal schwer geladen, was dazu führte, dass Pigett noch mehrmals treten musste, am Ende so stark, dass der Säufer mit einem Schmerzensschrei erwachte. »Was soll das, hab nix gemacht!«
    »Das will ich nicht hoffen«, sagte Pigett kalt. »Du solltest etwas für mich gemacht haben, etwas sehr Schönes sogar. Hast du es?«
    »Ach so. Ja doch, ja.« Odder rieb sich abwechselnd den schmerzenden Hintern und den dröhnenden Schädel.
    »Dann lass sehen.«
    Odder rülpste. Saurer Atem nebelte Pigett ein. »Hupps, ’tschuldigung, wo sin se denn?« Odder griff zu Stahl und Stein, schlug mit zitternden Händen Feuer und entzündete eine Laterne. »Ach hier, unterm Stroh.« Er holte eine Anzahl pergamentener Blätter hervor.
    »Lass sehen«, sagte Pigett noch einmal und griff ungeduldig nach den Blättern. »Leuchte mal!«
    Als Odders Werke im Schein des Lichts erkennbar wurden, stieß Pigett einen anerkennenden Pfiff aus. Riesige Phalli sprangen ihm ins Auge, die aus allen denkbaren und undenkbaren Positionen in weibliche Vaginen eindrangen, von oben, von unten, von der Seite, im Sitzen, Stehen, Hocken und sogar im Knien.
    Fast bewundernd fragte Pigett: »Woher kennst du bloß diese vielen Stellungen?«
    »Du hast mir ’ne Kanne Wein versprochen, wenn ich sie dir zeichne«, krächzte Odder.
    »Erst beantwortest du meine Frage.«
    »Wo ich die Stellungen herhab?« Odder unterdrückte ein erneutes Rülpsen, wofür Pigett ihm dankbar war. »Die hab ich auf ’ner alten griechischen Vase gesehn.«
    »Was, alle?«
    »Nee, nich alle. In Rom gab’s früher Bordelle mit Zimmern, un über jedem Zimmer war’n buntes Bild, Wandmalerei, weißte, da wussteste immer gleich, wie du’s drinnen treiben konntest.«
    »Donnerwetter, daher hast du also dein Wissen!« Pigett hatte nicht vermutet, dass Odder so gebildet war, aber das Leben ging verschlungene Wege, und wer wusste schon, was dem Säufer alles widerfahren war, bevor er auf der
Falcon
landete.
    »Was is nu mit meiner Kanne?«
    »Die kriegst du später.« Pigett wollte Unwichtiges von Wichtigem trennen. Er nahm die Laterne, verließ den jammernden Odder und stieg mehrere Niedergänge hinab. Er gelangte so tief in den Bauch des Schiffs, dass er hier und da eine Ratte huschen hörte. Im untersten Deck, auf der Backbordseite neben der Bilgenpumpe, steuerte er auf eine Tür zu, die mit einem schweren Schloss gesichert war. Er kramte nach dem Schlüssel. Dann sperrte er auf und trat ein. Es war ein Raum, in dem früher einmal Fässer gestanden hatten, in denen Ersatzsegel aufbewahrt wurden, damit die Ratten sie nicht anfraßen. Nun lebte eine Frau darin. Doch von »leben« konnte keine Rede sein. Die Frau vegetierte, und das seit vielen Monaten.
    Pigett wusste das, schließlich hatte er sie eigenhändig in das Loch gesteckt, aber es scherte ihn nicht. Jeder musste sehen, wie er zurechtkam, und diese Frau hatte ihm schon so manchen Penny und so manchen Sixpence eingebracht. Dass es noch mehr werden würden, dafür sollten Odders Werke sorgen. Pigett wollte sie den Matrosen zeigen und auf diese Weise ihre Gier nach Weiberfleisch noch mehr anstacheln.
    Ein zusätzliches Geschäft versprach er sich von der Auswahlmöglichkeit der Aktposition, wobei es zu überlegen galt, welche teurer und welche weniger teuer anzusetzen war. Um das zu beantworten, musste er die Positionen natürlich vorher selbst ausprobieren.
    Wenn alles gutging, würde seine Barschaft bald groß genug sein, um das Schiff verlassen zu können – und sich ein schönes Leben zu machen.
    Er betrat den Raum und sah im Schein der Laterne, dass die Frau in einer Ecke auf dem Boden saß und ihm den Rücken zukehrte. Das tat sie immer. Vielleicht glaubte sie, er würde sich dadurch aufhalten lassen. Welch lächerlicher Gedanke.
    Pigett näherte sich vorsichtig. Der

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