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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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gleich darauf beruhigte.
    Das Fischmündchen redete weiter: »Kommst aus der Krax, wie? Nu prassel dir die Plauz schön. Enano is gleich wieder wech. Wie war noch der werte Name?«
    »Isabella.«
    »Wui, wui, is’n schöner Name für’n schönes Pupperl, ›Isabella von Kastilien hat zwei Brüste, weiß wie Lilien‹, so heißt’s wohl. Nu plempel schön, wenn noch was is, sachste Bescheid.«
    Der Zwerg hüpfte hinaus.
    Vitus sah ihm staunend hinterher. Dann füllte er das Wasser in den Zuber. »Ich freue mich, dass du etwas, äh, zugänglicher zu werden scheinst, Isabella. Du hast gehört, was der Zwerg gesagt hat. Bade ausgiebig und reinige dich. Fühlst du dich dazu schon in der Lage? Ja? Nein? Keine Antwort ist auch eine Antwort, ich nehme dein Schweigen als Bejahung. In meiner Kiepe findest du Seife und ein paar Kleider. Sie werden dir zu groß sein, aber sie sind sauber. Krempel die Hosenbeine und die Hemdsärmel hoch, dann wird es schon gehen. Ich lasse dich jetzt allein. Ich muss zu Captain Taggart und melden, dass ich dich gefunden habe.«
    »No!«
Der Ausruf Isabellas war fast ein Schrei.
    »Nein?« Vitus wunderte sich. »Was kannst du dagegen haben, wenn ich zum Captain gehe?«
    »No, por favor!«
Isabella hob flehend die Hände.
    Vitus, der schon halb in der Tür gestanden hatte, kam noch einmal zurück. »Du musst mir schon einen guten Grund nennen, damit ich dem Captain dein Auftauchen verschweige.«
    Isabellas Hände verkrampften sich, zitterten plötzlich, begannen zu flattern. Sie schienen Ausdruck eines inneren Kampfs zu sein.
»Más tarde! Por favor …«
    »Nun gut, ich weiß nicht, warum ich es tue, aber ich verspreche es.«
    Schulterzuckend verließ Vitus Doktor Halls Kammer.
     
     
     
    Taggart stand hoch oben auf dem Kommandantendeck und war seinem Schöpfer gleich doppelt dankbar. Zum einen, weil der Schmerz in seinen Knien sich heute ertragen ließ, zum anderen, weil prachtvolles Wetter herrschte. Der freie Blick über die graugrüne See und die sich im ewigen Gleichklang auftürmenden Wellen, der stampfende Bug, der die Wogen durchteilte, der Wind, der die Segel blähte und die Takelage zum Singen brachte, Mahons und Reffles’ Männer, die an Backbord und Steuerbord die Kanonen richteten und Kugeln zum Probeschießen herbeischafften, die emsige Betriebsamkeit, die allerorten herrschte – das alles beseelte ihn mit Glück.
    »Ein Mann auf Kommandantendeck, Sir?«
    Taggart sah zum Niedergang und entdeckte Vitus. »Genehmigt, kommt herauf, Cirurgicus.«
    »Danke, Sir.« Vitus stellte sich neben Taggart und genoss wie dieser die herrliche Aussicht. »Wie ich sehe, scheint sich die Suche im Ballast des Schiffs gelohnt zu haben, oder woher kommen die Kugeln dort unten?«
    Taggart schnaufte. »Ganze siebenundzwanzig Stück haben Mahon und Reffles mit ihren Männern aufgetrieben, und von den siebenundzwanzig passen nur zwölf in unsere langen Culverines. Immerhin, ich habe die Freiwache angewiesen weiterzusuchen und die Erlaubnis erteilt, dass alles, was gefunden wird, auch verschossen werden darf.« Taggarts schiefe Gesichtshälfte produzierte ein Grinsen. »Mahon und Reffles sind mir dafür fast um den Hals gefallen. Sie konnten sich gerade noch beherrschen, der Disziplin sei Dank. Überhaupt ist die Disziplin an Bord recht ordentlich geworden, fast schon so straff wie früher, aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.« Taggart verstummte, weil er eigentlich nichts von langen Reden hielt und sich schon schwafelig vorkam.
    »Das hört sich gut an, Sir. Und was sagen Eure Knie zu alledem?«
    »Sie verhalten sich ruhig, Cirurgicus. Oder sagen wir: ziemlich ruhig. Denn ein bisschen zwicken sie schon noch.«
    Vitus freute sich. »Die Hanfabsätze haben sich also bewährt. Schön wäre, wenn ich Euch in diesem Zustand Brennnesselsaft zur regelmäßigen Einnahme verordnen könnte, aber ich habe nur Brennnesseltee. Wenn Ihr ein Übriges tun wollt, Sir, solltet Ihr weniger stehen und dafür mehr gehen. Ich schlage vor, fünf Schritte auf, fünf Schritte ab. Bewegung ist das A und O für Eure Knie. Ihr merkt es sicher auch beim Aufstehen: Zunächst sind die Beschwerden da, aber nach einiger Zeit habt Ihr Euch eingelaufen, und die Schmerzen klingen ab, richtig?«
    »Richtig, richtig, Cirurgicus … He, Mahon, he, Reffles! Macht Euren Männern Beine, bald ist Weihnachten, und ich warte noch immer auf Feuerbereitschaft! … Aber das mit dem Gehen kommt nicht in Frage. Abgelehnt! Wenn ich

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