Die Liebe des Wanderchirurgen
wäre gesünder für dich, wenn du zuerst uns ein paar Fragen beantworten würdest.«
»Nun gut.« Isabella merkte, dass sie mit ihrem üblichen Ton nicht weiterkam. »So hört. Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber ich bin I …, äh, Iñigo del Pilar y Ribera. Welches Schicksal mich nach London verschlagen hat, tut nichts zur Sache. Ich muss so schnell wie möglich zurück nach Spanien, ich habe wichtige Botschaften zu überbringen.«
Die beiden Männer schauten sich an, knufften einander in die Seite und lachten meckernd. »Natürlich bist du Iñigo Delladingsda, und natürlich musst du nach Spanien«, sagte der Kleinere. »Aber zufällig geht gerade kein Schiff, und zufällig können wir uns auch keines aus den Rippen schneiden.«
»Ich muss nach Spanien! Besser noch heute Nacht als morgen.«
Der Größere lachte. »Der Mensch muss vieles, Bürschchen. Es klappt nur nicht immer so, wie er will.«
»Ich kann für die Passage gut bezahlen.«
Der Kleinere wurde hellhörig. »Willst du damit sagen, dass du eine nennenswerte Summe bei dir hast?«
Etwas in seiner Stimme warnte Isabella, aber da sie sich so weit vorgewagt hatte, wollte sie keinen Rückzieher machen. »Nimm an, es wäre so. Aber jetzt sagt ihr mir, wer ihr seid. Ich möchte wissen, mit wem ich es zu tun habe.«
Der Größere schielte auf Isabellas Gürtel, an dem die Segeltuchtasche befestigt war, und sagte: »Gerade fällt mir ein, dass es vielleicht doch ein Schiff nach Spanien gibt.«
»Ich glaube, es fährt nach La Coruña«, ergänzte der Kleinere. »Wenn ich’s richtig in Erinnerung habe, gleich morgen früh mit der Ebbe.«
Isabellas Herz tat vor Freude einen Sprung. Das war viel mehr, als sie zu hoffen gewagt hatte. Ein Schiff, das nach La Coruña fuhr! Das bedeutete, sie konnte den Brief persönlich bei Juan Amadeo de Ribera abgeben, ja, vielleicht sogar ihrem Onkel, dem Oberbefehlshaber der Armada, persönlich Bericht erstatten! Schon wollte sie nach den Preisen für eine Überfahrt nach Spanien fragen, als sie erneut ein Gefühl des Misstrauens beschlich. Gar zu glatt und problemlos schien sich plötzlich alles zu fügen. »Ihr habt euch mir noch nicht vorgestellt«, sagte sie. »Was ihr mir erzählt, kann stimmen oder auch nicht.«
»Nicht doch, nicht doch«, beschwichtigte der Größere. Wir sind zwei Ehrenmänner. Bedienstete des spanischen Gesandten bei Hofe. Wir gehen im Whitehall-Palast ein und aus.« Was der Größere behauptete, stimmte sogar zum Teil. Denn er und sein Kumpan waren zwei der vielen kleinen Schnüffler und Zuträger im Dienst von Sir Francis Walsingham, der sie einsetzte, um an Informationen über die geplante spanische Invasion zu kommen. Nur war der Quell der Informationen seit einiger Zeit versiegt, weil keine Nachrichten mehr von der Iberischen Halbinsel nach England gelangten. Umso erstaunter waren sie deshalb über die Behauptung dieses Iñigo, er habe wichtige Botschaften in umgekehrter Richtung. Wahrscheinlich redete er Unsinn, aber, was wichtiger war, er schien viel Geld bei sich zu haben.
Isabella war nur halb beruhigt. »Ich kenne noch immer nicht eure Namen.«
»Oh, wenn es nur das ist.« Der Kleinere grinste ölig. »Ich bin José, und das ist mein Freund Marco.«
Isabella blieb skeptisch. Doch dann dachte sie an Odder, den Säufer, der ihr gesagt hatte, er hätte sich ihr auch als James oder Henry oder William vorstellen können und sie hätte es ihm geglaubt und er wäre deshalb kein schlechterer Mensch. Odder hatte es gut gemeint – und vielleicht verhielt es sich mit diesen beiden Burschen ebenso. »Wisst ihr, wie viel die Passage nach La Coruña kostet?«, fragte sie.
»Das wissen wir nicht.« Marco blickte treuherzig. »Woher auch? Am besten, wir gehen zum Schiff und fragen den Capitán.«
»Wie heißt denn das Schiff?«, fragte Isabella, die noch immer einen Rest Zweifel hegte.
»Es ist die
La Trinidad
«, antwortete José. Es war der erste Schiffsname, der ihm einfiel.
Isabella war jetzt endgültig beruhigt. Zwar waren die Umstände, unter denen sie ein Schiff gefunden hatte, ungewöhnlich, doch sie selbst war auch in einer ungewöhnlichen Lage. »Gut, gehen wir«, sagte sie entschlossen.
»Wir müssen einen kleinen Abstecher machen wegen der Arbeiten an den Kaianlagen«, erklärte Marco und schlug einen Weg ein, der direkt in die Finsternis führte. Arglos ging Isabella hinter ihm her, gefolgt von José. »Habt ihr keine Laterne?«, fragte sie. »Man sieht ja die Hand
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