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Die Liebe einer Frau

Die Liebe einer Frau

Titel: Die Liebe einer Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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»Wahrscheinlich kennen nur sehr wenige Leute den Code.«
    Philip sagte: »Im Moment bin ich in Ontario der Einzige.«
    Philip saß so weit vorn, wie sein Sicherheitsgurt es erlaubte, trommelte sich manchmal vor banger Konzentration auf die Zähne und stieß leise Pfeifgeräusche aus, wenn er Eve warnte.
    »M-m, aufpassen«, sagte er. »Ich glaub, du musst umdrehen. Ja.Ja. Der da, glaub ich.«
    Sie waren bisher einem weißen Mazda gefolgt und sollten jetzt offenbar einem alten grünen Pick-up folgen, einem Ford. Eve fragte: »Bist du sicher?«
    »Klar.«
    »Du hast gespürt, wie sie durch die Luft gesogen wurden?«
    »Sie werden simultan übertragen«, sagte Philip. »Ich hätte auch sagen können, sie werden gesogen, aber das ist nur, damit man’s leichter verstehen kann.«
    Eves ursprünglicher Plan war, das Hauptquartier im Dorfladen aufzuspüren, der Eis verkaufte, oder auf dem Spielplatz. Dann konnte sich herausstellen, dass alle Aliens dort in Gestalt von Kindern versammelt waren, die den Lockungen von Eiscreme oder Rutschbahnen und Schaukeln erlegen waren und ihre überirdischen Kräfte vorübergehend eingebüßt hatten. Deshalb konnten sie dich nicht entführen oder in dich hineinschlüpfen, außer du suchtest dir die eine falsche Sorte Eiscreme aus oder schwangst auf einer ganz bestimmten Schaukel so oft hin und her, bis du die eine falsche Zahl erreicht hattest. (Es musste einen Rest von Gefahr geben, sonst würde Philip sich betrogen und gedemütigt fühlen.) Aber Philip hatte so gründlich das Kommando übernommen, dass es jetzt schwer war, den Ausgang zu bestimmen. Der Pick-up bog von der asphaltierten Landstraße ab in eine geschotterte Nebenstraße. Eine klapprige Kiste ohne Verdeck, die Karosserie von Rost zerfressen – weit würde das Ding nicht mehr fahren. Wohl nur noch heim zu einer Farm. Womöglich begegneten sie keinem anderen Auto mehr, an das sie sich anhängen konnten, bevor die Klapperkiste ihr Ziel erreichte.
    »Bist du ganz sicher, dass es der ist?«, fragte Eve. »Da sitzt nur ein Mann drin. Ich dachte, sie sind nie allein unterwegs.«
    »Der Hund«, sagte Philip.
    Denn auf der Ladefläche fuhr ein Hund mit und rannte immerzu hin und her, als täte sich überall etwas, das ständig beobachtet werden musste.
    »Der Hund ist auch einer«, sagte Philip.
     
    An jenem Morgen, als Sophie losfuhr, um Ian vom Flughafen in Toronto abzuholen, hatte Philip im Kinderzimmer dafür gesorgt, dass Daisy beschäftigt war. Daisy hatte sich recht gut in dem fremden Haus eingelebt – nur dass sie seit Beginn des Urlaubs allnächtlich ins Bett machte –, aber zum ersten Mal fuhr ihre Mutter weg und ließ sie zurück. Also hatte Sophie Philip gebeten, seine Schwester abzulenken, und er tat es mit Begeisterung (glücklich über diesen Lauf der Dinge?). Er jagte die Spielzeugautos mit wütendem Motorengebrumm über den Fußboden, um das Geräusch des Mietwagens zu übertönen, mit dem Sophie wegfuhr. Kurz danach rief er Eve zu: »Ist die F. M. weg?«
    Eve war in der Küche, räumte die Reste vom Frühstück weg und riss sich zusammen. Sie ging ins Wohnzimmer. Da lag die Videokassette von dem Film, den sie sich mit Sophie am Abend zuvor angesehen hatte.
    Die Brücken von Madison County
.
    »Was heißt F. M.?«, fragte Daisy.
    Das Kinderzimmer ging vom Wohnzimmer ab. Das Haus war klein und beengt, mit billigen Mitteln für Sommergäste hergerichtet. Eve hatte sich ausgedacht, ein Ferienhaus am See zu mieten – für Sophies und Philips ersten Besuch bei ihr seit fünf Jahren und für Daisys allerersten. Sie hatte sich dieses Stück des Ufers von Lake Huron ausgesucht, weil in ihrer Kindheit ihre Eltern mit ihr und ihrem Bruder oft hierher gefahren waren. Doch die Gegend hatte sich verändert – die Ferienhäuser waren alle so solide wie Einfamilienhäuser, und die Mieten astronomisch. Dieses Haus, fast einen Kilometer landeinwärts vom steinigen, unbeliebten Nordende des Badestrandes, war noch das beste von denen gewesen, die für sie erschwinglich waren. Es stand mitten in einem Maisfeld. Sie hatte den Kindern erzählt, was ihr Vater früher einmal ihr erzählt hatte – dass man nachts den Mais wachsen hören konnte.
    Jeden Tag, wenn Sophie Daisys im Becken gewaschene Bettwäsche von der Leine nahm, musste sie die Maiskäfer herausschütteln.
    »Es heißt Furzmaschine«, sagte Philip mit einem herausfordernden Seitenblick zu Eve.
    Eve blieb in der Tür stehen. Am Abend zuvor hatte sie sich mit Sophie

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