Die Liebe ist eine Insel
Staub, die Papiere. Plakate lösen sich, fallen auf den Asphalt. Der Wind reißt sie mit.
Der Clochard des Platzes sammelt die Pappe ein und stapelt sie hinten in der Kirche, in seinem Winterversteck.
Überall fallen die Vorhänge, die Theater leeren sich. Auf den Gesichtern liegt Müdigkeit.
Im Chien-Fou geht das Vaudeville zu Ende. Die Truppe baut ihr Bühnenbild ab, es war ihre letzte Vorstellung. Sie verweilen noch einen Moment in den Kulissen, ein wenig enttäuscht. Sie wissen nicht, ob sie nächstes Jahr wiederkommen. Schon am Tag zuvor haben sie kaum etwas eingenommen. Sie haben all ihre Flyer verteilt, alles auf eine Karte gesetzt.
Sie lassen das Huhn da.
Niemand will es.
Jeff nimmt es mit in den Hof bei Odile. Er stellt ihm Näpfe mit Körnern und hartem Brot hin. Und Wasser in einer Schale. Es kann machen, was es will, laufen, gackern, scharren, es könnte sogar fortgehen.
Mit etwas Glück wird es Eier legen.
Als Jeff aus dem Hof kommt, sieht er Marie in der Rue de la Croix.
Sie starrt beim Gehen auf ihre Füße.
Sie bleibt stehen.
Die Straße ist wie ein Korridor. Der Wind fährt hinein.
»Es sind nicht mehr viele Leute in der Stadt«, sagt Jeff.
Er erklärt, dass der Mistral einen Tag lang wehen wird oder drei, oder sechs, oder neun, so ist es immer bei diesem Wind.
»Man nennt ihn den verrückten Wind.«
Marie sagt, dass sie abreisen wird.
Jeff wiegt den Kopf hin und her.
»Hast du den Vogel verkauft?«, fragt sie.
»Nein, aber ich werde es tun …«
Er entfernt sich ein paar Schritte, kehrt dann wieder zu Marie zurück.
»Ich verkauf ihn, wann ich will … Ich bleibe noch, bis der Sommer vorbei ist«, sagt er, als wollte er sich entschuldigen.
Er tritt immer noch von einem Fuß auf den anderen. Er mag keine Abreisen, die der anderen.
»Danke«, sagt er.
Er breitet die Arme aus, die Hände, und umarmt sie fest, fast zerquetscht er ihr die Wange.
E s ist kurz nach elf, der Briefträger fährt kreuz und quer durch das Viertel. Er lehnt sein Fahrrad gegen die Mauer, betritt das Théâtre du Minotaure. Dutzende von Karten, viel zu viele, er hat sie mit einem Gummiband zusammengebunden. Er legt sie ins Postfach.
Als Pablo kommt, nimmt er sie mit in die Garderobe. Die Jogar ist da.
Er legt das Paket vor sie hin.
Ein Blick.
Er geht hinaus.
Sie streift das Gummiband ab, der Stapel stürzt um, die Karten gleiten über den Marmor des Tisches.
Sie zieht einen Stuhl heran und setzt sich.
Aufgeklebte Botschaften. In den ausgeschnittenen Rechtecken erkennt sie Passagen aus Anamorphose .
Keine Unterschrift.
Sie weiß, dass sie von Marie kommen.
Es hört also nicht auf.
Sie zündet sich eine Zigarette an und raucht sie am offenen Fenster. Auf dem Bürgersteig sitzen drei Mädchen. Unbeschwertes Gelächter. Sie tragen weiße Schürzen, arbeiten im Restaurant, es ist ihre Pause.
Die Jogar drückt die Zigarette auf dem äußeren Fenstersims aus und schließt das Fenster.
Sie ruft Odon an. Während es klingelt, nimmt sie die Karten wieder in die Hand.
Sie dreht sie, betrachtet sie.
Er nimmt ab.
»Ich werde es tun«, sagt sie.
Sie sagt nur das.
Kein Wort davon, dass sie Dutzende von Postkarten bekommen hat. Kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung. Odon stellt ihr keine Fragen.
Sie verabreden, sich am Abend nach der Vorstellung in seinem Theater zu treffen.
M arie geht die Rue de la République hinauf, kommt zum ersten Mal am Gebäude der Zeitung vorbei.
Vor ihr ein Schauspieler mit einem Bühnenkostüm in einer transparenten Schutzhülle. Etwas weiter entfernt spielt auf demselben Bürgersteig ein Mädchen Geige.
Marie folgt ihnen mit den Augen, geht zur Zeitung zurück.
Sie zögert. Die Eingangshalle ist leer, die Büros sind oben. Sie steigt die Stufen hinauf. Im ersten Stock offene Türen. Ein Mädchen hinter einem Schreibtisch.
Über einer Tür ein Schild, Redaktion.
Marie betrachtet die Prospekte, die auf einem Tisch liegen.
Sie fährt mit den Fingern darüber, nimmt ein Exemplar der Zeitung, blättert darin. Auf der Rückseite stehen die Telefonnummern der Redaktion. Sie fragt, ob sie die Zeitung mitnehmen könne, das Mädchen nickt.
I sabelle klopft an die Zimmertür. Marie öffnet nicht, also klopft sie noch einmal. Sie steckt den Kopf hinein.
»Schläfst du?«
»Nein.«
Sie reicht ihr das Telefon.
»Es ist Odon … Er hat schon ein paarmal angerufen.«
Marie schleppt sich zur Tür.
Sie hört zu.
Sie beendet das Gespräch.
»Brauchst du etwas?«, fragt
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