Die Liebe verzeiht alles
arbeitete. Sie war sicher gewesen, dass Gus bald wieder in Freiheit wäre, ihr schließlich verzeihen und gemeinsam mit ihr aus Kalamoose weggehen würde.
Aber die Wirklichkeit hatte anders ausgesehen. Er war in Haft geblieben, und Lilah hatte neben ihrem Liebeskummer noch ein wesentlich größeres Problem zu bewältigen. Sie war mit siebzehn schwanger gewesen und hatte sich total überfordert gefühlt!
In ihrer Not hatte sie sich erneut ihrem Onkel anvertraut. Gemeinsam hatten sie eine Lösung gefunden – für das Baby, für sie selbst und auch für Gus, ohne dass er irgendetwas ahnte. Und zum ersten Mal in ihrem Leben war sie Harms Ratschlag bis ins Kleinste gefolgt.
Wenn er doch jetzt hier sein könnte!, dachte Lilah und lehnte sich im Autositz zurück. Er war der Einzige, der ihr Geheimnis gekannt hatte. Wie gern hätte sie mit ihm geredet, denn sie war fast so verwirrt und verängstigt wie damals. Was sollte sie nur tun?
6. KAPITEL
Nach einem weiteren missglückten Abendessen – dieses Mal war es viel zu scharf gewesen – räumte Lilah die Küche auf. Sara war noch nicht zu Hause. Bree war in ihr Zimmer gegangen, um zu lesen.
Gereizt stellte Lilah den fast leeren Erdnussbuttertopf in den Kühlschrank zurück. Fast all ihre Versuche, Bree ein anständiges Essen zu kochen, waren gescheitert. Auch heute hatte sich Bree mit Sandwiches begnügen müssen und es klaglos hingenommen.
Lilah war zum Heulen zumute. Mit siebzehn hatte sie beschlossen, ihr Kind zur Adoption freigeben zu lassen, weil ihr klar gewesen war, dass sie ihm keine gute Mutter sein könnte. Sie hatte gehofft, inzwischen der Aufgabe gewachsen zu sein. Doch leider sah es nicht danach aus.
Sie ließ Wasser ins Spülbecken und begann, das Geschirr abzuwaschen. Energisch blinzelte sie die Tränen weg, denen sie schon den ganzen Nachmittag über nahe gewesen war. Die Begegnung mit Gus vorhin hatte so viele Gefühle aufgewühlt.
„Du bist spät dran“, schimpfte sie, als ihre Schwester wenig später zur Tür hereinkam. „Wir haben bereits gegessen.“
„Kein Problem. Ich habe mir unterwegs etwas besorgt.“ Sara nahm eine Kakaoflasche aus dem Kühlschrank, öffnete sie und hob sie an die Lippen.
„Aber du wusstest, dass ich ein neues Gericht ausprobieren wollte.“
„Ist es denn diesmal gelungen?“, fragte sie, als sie ausgetrunken hatte.
„Es war fantastisch.“ Lautstark warf Lilah die Messer, die sie gerade abgetrocknet hatte, in die Schublade.
„Prima, denn ich muss dir etwas sagen, was mit Essen zu tun hat. Ich habe einen Job für dich hier in Kalamoose. In der Gastronomie. Du kannst ganz bald anfangen. Die Bewerbung ist reine Formsache.“
Schief blickte Lilah ihre Schwester an. „Wie bitte? Ich habe die Stellenanzeigen durchgesehen und nichts gefunden.“
„Er hat sich eben erst ergeben.“ Sara räumte die Flasche zurück und holte sich einen Schokoriegel aus dem Korb oben auf dem Kühlschrank. „Zum Glück für dich war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich habe im Diner gegessen und von Gloria gehört, dass sie abends nicht mehr arbeiten möchte, und dass deshalb eine Ersatzkraft gesucht wird. Jemand mit Erfahrung. Also habe ich ihr erzählt, dass du in Los Angeles Berühmtheiten bedient hast. Und wenn man in Hollywood nicht befürchtet hat, du könntest Tom Cruise die Suppe über den Anzug schütten, dann sollte man dir hier erst recht vertrauen.“ Sara biss in den Schokoriegel und wirkte ungeheuer zufrieden mit sich.
„Ich kann nicht im Diner arbeiten.“
„Warum nicht, zum Teufel?“
„Weil … weil man mich dort gar nicht nehmen wird. Du weißt sicher, wer der neue Eigentümer ist.“
„Natürlich. Deshalb dürfte es kein Problem sein. Ich finde, er ist uns noch einen Gefallen schuldig, nachdem er erst sich ins Gefängnis gebracht und dann Onkel Harm lächerlich gemacht hat.“
„Mir schuldet er jedenfalls nichts.“
„Du hast ihm doch damals zu seiner schicken Kleidung verholfen.“
Lilah schwieg einen Moment. Sie hatte Sara genau beobachtet, aber kein Anzeichen entdecken können, dass diese irgendeine Ahnung von ihrer Beziehung mit Gus hatte. „Während deiner College-Zeit habe ich Gus ein bisschen besser kennengelernt“, sagte sie vorsichtig.
„Na und?“
Nein, die Schwester wusste von nichts. „Er und ich haben die Highschool nicht gerade als Freunde verlassen.“
„Als ich im Sommer nach deinem Abschluss hier war, schien ihm niemand wohlgesonnen zu sein. Er war ein Außenseiter
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