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Die Liebe verzeiht alles

Die Liebe verzeiht alles

Titel: Die Liebe verzeiht alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: WENDY WARREN
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sie inzwischen wusste. Selbst die anständigsten Menschen taten etwas, was andere verletzte. Es war ein seltsam tröstlicher Gedanke, denn lange Zeit hatte Lilah die Welt in zwei Lager geteilt: eines mit den Menschen, deren Fehler nicht so schrecklich waren, und eines, in dem sie gesessen hatte.
    „Die Mutterrolle macht mir Angst“, platzte sie heraus. „Sich freiwillig als Pflegevater anzubieten, finde ich sehr mutig.“
    „Ich habe zunächst als Berater angefangen. So wächst man leichter in die Aufgabe hinein.“ Gus lächelte verständnisvoll. „Wer ist die Kleine, die ich mit dir gesehen habe? Sie ähnelt Sara von früher.“
    Lilah war noch nicht bereit, ihm alles über Bree zu erzählen. Allerdings wollte sie ihn auch nicht wirklich anlügen. „Sie heißt Sabrina und wird Bree gerufen. Ihre Mutter Grace war eine gute Freundin. Sie ist vor sechs Wochen gestorben.“ Nervös rührte Lilah mit dem Strohhalm im Schoko-Shake herum. „Grace war lange Zeit krank und hat gewollt, falls sie den Kampf verliert, dass Bree bei mir bleibt. Nun überlegen wir, wie es weitergehen soll.“
    „Bist du ihr gesetzlicher Vormund?“
    „Gewissermaßen.“ Verdammt, das Leben war kompliziert, und für den Moment hatte sie genug Fragen zu ihrem Schützling beantwortet. Außerdem musste sie das Mädchen dringend abholen, wie ihr ein Blick auf die Armbanduhr zeigte. Kurz vor eins. „Bitte entschuldige, aber ich muss los. Die Fahrbücherei schließt in wenigen Minuten, und Bree wartet dort auf mich.“ Lilah lächelte ihn an, nahm ihre Handtasche und stand auf.
    Gus stand ebenfalls auf und reichte ihr die Hand. „Danke, dass du hergekommen bist. Ich bin froh über die Gelegenheit, uns … freundlicher zu unterhalten.“
    Zögerlich ergriff Lilah seine Hand. Nur zu gut erinnerte sie sich an das erste Mal, als sie sich an den Händen gefasst hatten. Es hatte sich so ungeheuer richtig angefühlt, so verbindend, so elektrisierend …
    Und auch jetzt nach all den Jahren löste die harmlose Berührung ein Kribbeln in ihr aus. Ihr wurde immer wärmer, und ihre Wangen begannen zu glühen. Unwillkürlich sah sie Gus an. Doch seine Miene war unverändert höflich, und er schien die Ruhe in Person.
    „Vielen Dank für das Essen“, stieß sie hervor, und er merkte glücklicherweise nicht, dass sie das meiste stehen ließ. Dann setzte sie sich in Bewegung und zwang sich schließlich, den Blick von ihm abzuwenden und auf die Tür zu richten. Sie öffnete sie und trat nach draußen, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Mit wild klopfendem Herzen schob sie wenig später den Autoschlüssel ins Zündschloss und startete den Motor. Hoffentlich lag es am niedrigen Blutzuckerspiegel, weshalb sie innerlich bebte, und nicht an der beängstigenden Sehnsucht, mehr Zeit mit dem Verlobten einer anderen Frau zu verbringen.
    Du hattest nicht das Recht, voller Wut, Schmerz und Entrüstung über seinen eventuellen Betrug hier aufzutauchen, machte sie sich beim Ausparken klar. Ihre Beziehung war seit einer Ewigkeit vorbei. Was immer Gus früher getan hatte, durfte sie heute nicht mehr interessieren.
    Energisch legte sie den ersten Gang ein und fuhr los. Nach etwa hundert Metern bremste sie ab und lenkte den Wagen an den Straßenrand, denn nun zitterte sie am ganzen Körper. Sie krallte die Hände ums Steuerrad, schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen.
    Schon im letzten Highschool-Jahr hatte sie gewusst, wie ihre Zukunft aussehen sollte. Und selbst als Gus und sie ein Paar geworden waren, hatte sich an ihrem Plan nichts geändert. Sie würde die Schule beenden und mit dem Geld, das sie über den Sommer verdiente, nach Hollywood umziehen. Beherrscht davon, ihren Traum zu verwirklichen, hatte sie es einfach als selbstverständlich angesehen, dass er mit ihr kommen würde.
    Dann war Gus inhaftiert worden, und es wäre für sie völlig unvorstellbar gewesen, ihn im Stich zu lassen. Obwohl er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, hatte sie nur einen Gedanken gehabt – ihm irgendwie beizustehen. Und wenn es ihm geholfen hätte, dann hätte sie ihre Beziehung in der ganzen Kleinstadt publik gemacht.
    In ihrer Ratlosigkeit hatte sie ihrem Onkel alles gebeichtet und versucht, seinen traurigen Blick auszuhalten, als sie ihn um Hilfe bat. Doch Gus hatte von niemandem mehr Unterstützung wollen. Auch nicht von Harm.
    Nach dem Highschool-Abschluss hatte sie bei Ernie als Hilfskraft angefangen und sich gesagt, dass sie für ihre gemeinsame Zukunft

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