Die Liebe verzeiht alles
drückte sie.
Und selbst während Gus sich innerlich auf das nun anstehende offene Gespräch mit ihr vorbereitete, war ihm klar, dass er als Verlierer daraus hervorgehen würde. Karen würde ihren Weg weitergehen und sich irgendwann einem Mann zuwenden, der sie wirklich liebte. Und er …
Gus schüttelte den Kopf über die Ironie seiner eigenen Situation. Egal, wie viel er dazugelernt und welchen Ruf er sich erarbeitet hatte, in mancher Hinsicht war er immer noch der Junge von damals. Und dieser Junge konnte entweder nur leidenschaftlich lieben oder gar nicht.
„Die Hacksteaks sind fertig!“, rief Cookie, und Lilah kam zur Durchreiche, um die Teller abzuholen. „Frühstücken wir nach deiner Schicht zusammen? Ich weiß, wo es ein prima Haschee gibt.“
Lilah verdrehte die Augen. Ihr Chef fragte sie jede Nacht das Gleiche. Nur die Gerichte wechselten, mit denen er sie zu ködern versuchte. „Nein danke, ich muss auf meinen Cholesterinspiegel achten.“
„Irgendwann sagst du Ja.“
„Werde ich nicht.“ Sie nahm die beiden Teller. „Deine Frau würde mir den Marsch blasen.“
Cookie winkte ab. „Lass dich von ihr nicht daran hindern, deinem Herzen zu folgen.“
Lilah lachte. Ihr Boss war über sechzig und fast einen Meter neunzig groß. Er wog gut zweieinhalb Zentner und damit nur geringfügig weniger als seine Frau, die er trotzdem ständig übersah.
„Ich brauche ein Chili-Omelett mit einer Extraportion Zwiebeln und Käse für Tisch fünf“, sagte sie, bevor sie sich umdrehte, um den Truckern das Essen zu bringen.
Zweifellos hatten sie das Gespräch mit Cookie mitbekommen und grinsten ihr bereits entgegen. Hoffentlich verschonen sie mich mit einem „besseren“ Angebot, dachte sie und mied vorsichtshalber den Blickkontakt. In jedem Fall würde sie gleich noch einmal zu ihnen zurückkehren müssen, um die leeren Kaffeebecher nachzuschenken.
„Du magst also kein Haschee. Wie wär’s mit Bratkartoffeln und Spiegeleiern?“, erkundigte sich einer der zwei. Er war etwa Mitte fünfzig, nicht ganz so stark tätowiert wie sein Kollege und offenbar sehr von sich überzeugt.
„Zu viele Kalorien. Ich mache gerade eine Diät.“
„So?“ Er zog die Brauen hoch. „Dann vielleicht einen knackigen Salat mit French Dressing und knusprigem Baguette dazu?“
„Ich bin mit einem Schotten verheiratet, und ihr wisst ja, was die von allem Französischen halten.“
Verwirrt sahen die beiden sie an. „Nein.“
Sie auch nicht. Aber das war egal. „Guten Appetit.“
Lilah eilte davon und schob die Hand in die Schürzentasche, in der sie das Trinkgeld aufbewahrte. Du arbeitest hier für Bree, ermahnte sie sich, Kinder brauchen drei Mahlzeiten am Tag sowie die eine oder andere Kleinigkeit zwischendurch. Und Cookie erlaubte ihr, die zwei Tage alten Zimthörnchen mit nach Hause zu nehmen.
Sie unterdrückte ein Gähnen. Himmel, war sie müde! Leider konnte sie sich keine Pause gönnen. An Tisch acht saß inzwischen ein neuer Gast, wie sie auf dem Weg zur Kaffeemaschine aus den Augenwinkeln bemerkt hatte. Hoffentlich war es nicht wieder so ein Mistkerl, der eine Kellnerin als leichte Beute betrachtete.
Verstohlen blickte sie in die Richtung und zuckte zusammen. Es war Gus, und er sah finster zu ihr hin. Zweifellos war er nicht zufällig da. Lilah spürte ein seltsames Kribbeln. Entweder deutete es auf leise Erregung hin oder auf den Beginn einer Panikattacke – was wahrscheinlicher war. Unwillkürlich strich sie die Schürze über den Jeans glatt, die sie zur Arbeit tragen durfte. Hätte sie sich doch sorgfältiger geschminkt und die Haare nicht nur nachlässig zusammengebunden.
„Ich bin gleich da!“, rief sie und versuchte, sich zu beruhigen, während sie die Kaffeemaschine bediente. Dann ging sie auf Gus zu und holte Block und Stift hervor. „Willkommen im ‚Pie ’n’ Burger‘. Was darf ich dir bringen?“
Gus lächelte matt. „Was schlägst du mir …“, er sah auf die Armbanduhr, „… morgens um halb zwei vor?“
„Dich ins Bett zu legen und zu schlafen. Aber diese Möglichkeit hast du offenbar verworfen. Bist du hungrig?“
„Habt ihr etwas Süßes?“
Lilahs Miene verfinsterte sich. Hey, ermahnte sie sich im nächsten Moment, das ist Gus und nicht Mr. Dumm und Dümmer von Tisch zwei. Es war keine Anmache. „Die Zimthörnchen sind gut. Wir überziehen sie extra dick mit Zuckerguss und buttern sie bis zum Gehtnichtmehr. Sie verstopfen garantiert in höchstens einer Viertelstunde eine
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