Die Liebe zu Rosen mit Dornen
Dara.«
»Ich möchte das, was für dich am besten ist. Wie wir alle.«
»Nein, Ihr wollt das, was am bequemsten ist. Das ist das Problem.« Ich lasse den Klumpen fallen. Ich habe noch nichts von Mr Morton gesagt. Will ich auch nicht. Nicht mehr. Wenn sie sich ihrer Sache so sicher ist, dann kann sie es auch selbst machen. »Du verstehst nicht. Du würdest einen Schüler lieber bestehen lassen, als ihm eine schlechte Note zu geben. Ich wette, du hast noch nie jemanden schlechter als befriedigend eingestuft, stimmtâs?«
»Kunst ist subjektiv, aber ich habe sehr wohl Kriterien für meine Benotung.« Dara hat aus ihrem Ton eine kleine Schale geknetet. Sie stellt sie auf den Tisch. »Eigentlich geht es doch nur darum, dass die Schüler ihren Stoff lernen, oder? Wieso sollten sie sich nicht ein paar Pluspunkte verdienen?«
»Weil sie ihre Arbeit in einer bestimmten Zeit erledigen müssen. Ihre Arbeitgeber werden nicht warten wollen, bis sie es draufhaben.«
»Aber das hier ist eine Highschool. Sie lernen doch.« Sie wischt eine Strähne aus ihrem Gesicht, wobei Ton an ihrer Stirn kleben bleibt.
Ich kehre zum Thema Teilzeitarbeit zurück. »Ich will nicht nur Teilzeitcoach für die Wissenschaftsolympiade sein. Fünfundachtzig Prozent meiner Schüler bestehen den Biologie-Leistungskurs, Dara. Fünfundachtzig. Das ist weit über dem Durchschnitt. Das ist real und nachprüfbar, nicht subjektiv.« Ich stehe auf, halte meinen Ton in Händen. »Lieber suche ich mir einen ganz neuen Job, als hier nur Teilzeit zu arbeiten. Vielleicht in einem Labor in San Luis Obispo.« Das ist mein Hinweis auf Mr Morton, aber Dara ist nichts anzumerken.
Meine kleine Tirade scheint sie nicht weiter beeindruckt zu haben. »Vielleicht schafft es deine Rose auf den Markt, und du kannst dich zur Ruhe setzen.«
Ich kann nicht sagen, ob sie sarkastisch klingt oder nicht. Ich komme zu dem Schluss, dass nicht.
Sie zeigt auf den Ton. »Was hast du da?«
Ich sehe mir an, was ich unbewusst geknetet habe. Ich halte es zwischen Daumen und Zeigefinger. Es sieht aus wie eine groÃe Bohne. »Das ist eine Niere.« Ich klatsche sie auf den groÃen Tonklumpen.
Stirnrunzelnd sitzt sie da.
»Wir sehen uns, Dara.« Ich wische meine Hände an der Hose ab. Dieser Ton hat schmerzlich alle Feuchtigkeit herausgesogen. Ich wasche sie mir nicht. Ich fahre mit Riley nach Hause.
24
Ich sollte mich ausruhen oder im Rosengarten arbeiten und die toten Blüten abschneiden, aber stattdessen liege ich auf meinem Bett, das Kissen über dem Kopf. Aus meinem Bauch kommen schwere, glucksende Schluchzer, die hoffentlich durchs Deckbett, die künstlichen Gänsedaunen und die Wände gedämpft werden, vom Fernseher ganz zu schweigen.
Es könnten Stunden oder nur Sekunden vergangen sein, als Riley an meine Tür klopft. »Alles okay, Tante Gal?«
Ich werfe einen Blick auf die grüne Anzeige meines Weckers. Halb sieben. Ich habe das Abendessen verschlafen. Ich schniefe. Inzwischen hyperventiliere ich. Wenn ich so bin, kann ich kaum sprechen, kaum denken.
»Tante Gal?« Riley lässt sich nicht beirren.
Was sage ich ihr? Ich will nicht, dass sie mich so sieht. Sie würde sich Sorgen machen und Hilfe rufen. »Ich möchte allein sein«, rufe ich zurück.
Sie wartet einen Moment. »Okay.« Ich höre ihre Schritte, wie sie in die Küche schlurft und den Telefonhörer abnimmt.
Ich putze mir die Nase. Jetzt ist Riley schon wieder allein. Sie war gestern Abend während der Dialyse allein und auch die meiste Zeit nach der Schule. Allein mit ihrer Mutter. Allein mit mir. Immer allein. So darf ein Kind nicht aufwachsen.
Ich trinke etwas Wasser. Ich habe mal wieder einen Tränentag. Hin und wieder müssen die Gefühle aus mir raus wie bei einem zu prall aufgepumpten Reifen, sonst platze ich. Dr. OâMalley. Dara. Walters, Dr. Blankenship. Dialyse. Wenn ich in die Zukunft blicke, sehe ich nur einen unerquicklichen Teilzeitjob, sterbende Rosen und eine endlose Folge von Apparaten, die mit meinem Körper verkabelt sind.
Kurz gesagt: Diese ganze ScheiÃe reibt einen auf.
Ich hole tief Luft und versuche, mich aufzumuntern. Dieses Gefühl wird vergehen. Tut es immer. Meine Augen trocknen. Ich setze mich auf. Rileys Stimme ist durch die Wand zu hören. Ich frage mich, mit wem sie spricht, und dann klopft sie an meine Tür.
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