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Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Titel: Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Setz Clemens J.
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keinen Beweis dafür, dass es sich dabei tatsächlich um das letzte Level handle. Wahrscheinlich sei es lediglich ein Rest, ein frühes Experiment, als Regan zum ersten Mal die digitale Umsetzung seiner Visionen zu realisieren versuchte. Ihr Vorschlag bezüglich des letzten Levels war etwas gewagter, und sie erläuterte ihn im letzten Kapitel ihrer Biografie.
    A Solitary Figure ist ein beeindruckend dichtes und rundum gut recherchiertes Buch, das sich vor allem mit bisher von der Forschung eher vernachlässigten Gebieten beschäftigt, wie z. B. Regans enger Verbindung mit Deutschland sowie dem enormen Einfluss, den Hieronymus Bosch und diverse frühe Surrealisten auf die grafische Gestaltung von Figures in a Landscape hatten.
    Das letzte Kapitel ist Regans Selbstmord gewidmet. Bisher war darüber nicht viel bekannt gewesen. Maggie Phillips las den überraschten Zuhörern aus einem Brief vor, den Marc David Regans letzte Freundin verfasst hatte, ein zum Zeitpunkt der Niederschrift gerade einmal achtzehn Jahre altes Mädchen namens »Betty« (der Name wurde allerdings von Phillips geändert). Über die wahre Identität dieser jungen Frau ist nichts bekannt geworden. Doch umso berühmter ist seit dem denkwürdigen Symposion ihre Beschreibung von Regans letztenStunden. Es wurde viel darüber spekuliert, ob Maggie Phillips nicht womöglich die wahre Autorin dieser Zeilen sei, und wahrscheinlich werden diese Gerüchte nie ganz verstummen. Das Hauptargument der Zweifler ist paradoxerweise der übertrieben (soll heißen: von Phillips simulierte) schlechte Stil dieser ergreifenden Schilderung:
    Am Nachmittag gingen wir noch ins Kino. Sehr toller Film, alles in allem, actionreich, der Sound an mehreren Stellen jedoch etwas zu laut. Bereue jedenfalls nicht, ihn angesehen zu haben. Aber wenn ich geahnt hätte, dass es Marcs letzter Film auf Erden sein wird, hätte ich sicher was Passenderes ausgewählt, wenn Sie wissen, was ich meine … Marc hat sich jedenfalls nichts anmerken lassen, er war während der ganzen Zeit ziemlich guter Dinge, hat Witze gerissen und aus meiner Tüte Popcorn geklaut. Nach dem Kino gingen wir noch in ein Lokal was trinken. Im Lokal bemerkte ich zum ersten Mal an diesem Tag eine gewisse Ungeduld bei Marc. Das war an sich noch nichts, worüber ich mir groß den Kopf zerbrochen hätte. Aber als ich ihn fragte, was los sei, antwortete er: Er habe Angst, eine bestimmte Fernsehsendung heute Nacht zu verpassen. Außerdem wolle er die Ratten noch füttern. Das mit den Ratten ist mir besonders komisch vorgekommen, aber ich habe mir nichts Besonderes dabei gedacht und mich halt beeilt mit dem Essen, und auch die Zigarette habe ich ausgemacht, bevor sie zu Ende geraucht war. Auf dem Nachhauseweg hat es etwas geregnet, aber wir sind trotzdem wie verliebte Teenager Arm in Arm durch die Straßen gegangen, als könnte uns nichts auf der Welt etwas anhaben.Ich habe Marc erzählt, ich hätte nächste Woche einen Termin beim Gynäkologen und ob er mich vielleicht begleiten möchte (ich hasse Gynäkologen!). Er hat mir über die Wange gestreichelt und gesagt: Natürlich. Aufgrund seines Tonfalls habe ich gedacht, er glaubt vielleicht, ich wäre schwanger. Aber es war nur eine Routineuntersuchung, und das wollte ich ihm noch sagen, habe es aber dann doch nicht getan, weil er so glücklich und zufrieden ausgesehen hat. Zuhause sind wir dann bis spät in die Nacht aufgeblieben, sind auf dem Balkon gesessen, und Marc hat mir ein paar Sternbilder gezeigt, einige davon waren, wie ich hinterher erfahren habe, von ihm erfunden. An die Namen dieser Sternbilder kann ich mich leider nicht mehr erinnern, glaube aber, dass ein paar Tiernamen darunter waren. Anschließend bin ich ins Bett gegangen, und Marc hat gesagt, dass er noch aufbleiben möchte, wegen der Fernsehsendung. Tatsächlich hat er den Fernseher eingeschaltet und den Ton auf eine mittlere Lautstärke runtergedreht. Heute glaube ich, dass er das deswegen gemacht hat, damit ich Ohropax reintue. Er wollte nicht, dass ich etwas höre. Am nächsten Morgen bin ich als Erstes nach dem Aufwachen ins Badezimmer gegangen. Und da ist er gelegen, alles voller Blut, die schönen neuen blauen Fliesen, alles voll. Es war furchtbar. Den Anblick von zwei besonders riesigen Schmierereien auf dem Spiegel werde ich sicher nie wieder vergessen. Er hat sich mit einem Küchenmesser überall am Körper verletzt, bei weitem nicht alles tödliche Stiche, aber die Halsschlagader war leider dabei,

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