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Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Titel: Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Setz Clemens J.
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leuchteten aus ihren Augen.
    – Ich verstehe, sagte Anton.
    Aber Frau Nusch war nicht zu bremsen. Sie trat noch ein, zwei Mal auf den imaginären Kopf unter ihrer Schuhsohle ein, dann atmete sie einmal tief durch und setzte sich in ihren Sessel. Anton wusste nicht, was er tun sollte.
    – Gut, sagte er. Ich bedanke mich, dass Sie mir das alles –
    – Nichts zu danken, keuchte Frau Nusch. Ich tue mein Bestes. Das kann schließlich nicht so weitergehen.
    Sie wischte eine lange Haarsträhne beiseite, die aus dem dichten Knoten auf ihrem Hinterkopf entkommen war, und atmete noch einmal tief ein und aus.
    – Gut, dann …
    – Und dann haben sie auch noch Happy Birthday für ihn gesungen, sagte sie.
    – Happy Birthday? Wieso das?
    – Ich weiß nicht.
    – Hatte Herr Lukas gestern Geburtstag?
    – Ich weiß nicht, Herr Wolf, vielleicht.
    Wieder dasselbe Spiel mit der Haarsträhne. Dann beugte sich Frau Nusch zur Seite und zog ihren Schuh aus, untersuchte ihn und schüttelte ihn kräftig (das Geräusch eines winzigen Steinchens, das auf den Boden fiel).
    – Sie haben ihn in den Schnee geworfen und dabei Happy Birthday gesungen?
    – Mhm, machte Frau Nusch und nickte.
    – Das verstehe ich einfach nicht.
    Natürlich verstand er. Es war seine Schuld. Er hätte Lukas nicht vor den anderen loben dürfen. Das war zu plakativ gewesen. Aber warum hatten sie ihm ein Geburtstagsliedgesungen? Als die Sekretärin endlich gegangen war, schaute er in der Personalakte nach. Adresse: Holzgasse 16.
    Geburtstag …
    Erst in einer Woche. Gestern in einer Woche. Merkwürdig.
    Anton lehnte sich in seinem Bürosessel zurück und strich sich ratlos mit Zeigefinger und Daumen über sein Kinn. Seit zwei Tagen hatte er sich nicht mehr rasiert, und die Finger machten ein hässliches Bartstoppelgeräusch.
3
    Ist es eine zu große Geste?, fragte er sich, als er den Gehsteig entlangging. Nummer 16. Mache ich mich lächerlich? Aber was soll’s, ich werde schließlich nur an die Tür meines Angestellten klopfen. Jeder Chef kann das tun. Es steht ihm von Natur aus zu.
    Er erinnerte sich, dass er früher manchmal zu Geburtstagsfesten eingeladen war. Altenbergers Vierzigster zum Beispiel. Ein lustiger Abend, bei dem ein Akkordeon und ein Lampenschirm zu Bruch gegangen waren.
    Der unregelmäßige Countdown der Hausnummern brachte seine Nervosität zurück. 24. 22. Dann kam ein großes Nagelstudio namens Nail Heaven , das kein Hausnummernschild trug und über mehrere Häuser zu reichen schien. Er ging weiter, überquerte eine Seitengasse, in der ein paar alte, verrostete Fahrräder umgefallen waren und wie geschwärzte Brandopfer auf dem Boden lagen. Die Gegend gefiel ihm nicht. Nur wenigeLeute waren unterwegs, und selbst die sahen aus, als wären sie lieber woanders.
    Nummer 16. Kein besonders schönes Haus. Das Tor stand offen. In der Einfahrt schlug ihm ein unangenehmer Geruch entgegen, sofort schloss er den Mund, presste die Lippen aufeinander und atmete flacher. Anton schaute sich nach einem Lichtschalter um, aber es gab keinen. Er ging ein paar Treppen hinauf, bis zur ersten Tür, das erste Zeichen von Leben. Eine verlassene Zahnarztpraxis, das silberne Schild abgewetzt und zerkratzt wie von Vogelkrallen. Dr. med. dent. Maximilian Zettl . Die Öffnungszeiten, beinahe unleserlich, schienen aus einem anderen Jahrhundert zu stammen. Jetzt, vor der Zahnarztpraxis, wusste er auch, was der unangenehme Geruch und die instinktive Spannung in seinem Kiefer zu bedeuten hatten.
    Vielleicht war es ein Fehler gewesen, hierherzukommen.
    Er würde es schnell hinter sich bringen, würde einfach kurz klingeln und Franz Lukas die Weinflasche übergeben. Dann würde er sofort wieder nach Hause gehen. Er hatte in diesem Haus nichts zu suchen. Allerdings war er neugierig, zu erfahren, wie Franz Lukas wohnte. Er verdiente bei Crillaco schließlich nicht schlecht, warum also hauste er in einer derartigen Bruchbude –
    Etwas flatterte neben ihm auf, und er schreckte zurück. Es war eine Taube, die unruhig um seine Beine wackelte. Anton versuchte, sie zu verscheuchen, aber es war eine Stadttaube, ein abgehärtetes, an das unberechenbare Verhalten der Menschen gewöhntes Tier, das sich von seiner Schuhspitze nicht beeindrucken ließ.
    Anton legte eine Hand auf das staubige Geländer undging weiter. Seine Handfläche fuhr über etwas Hartes. Wie getrockneter Kaugummi. Da es im Stiegenhaus dunkel war, musste er sich hinunterbeugen, um zu erkennen –
    Es war

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