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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Caroline schob.
    Wir alle starrten sie an. Ihre Kleider waren zerrissen, ihr Gesicht war schwarz, wie eine Waschfrau hatte sie einen Schal um ihren Kopf geschlungen.
    »Ich bin mit einem Kind nach Hause gegangen«, flüsterte sie. »Die haben mich zurückgebracht.«
    Es schien ihr fast zu schwer zu fallen, ihren Arm zu heben und sich den Schal, den sie sich geliehen haben mußte, da er nicht nach Caroline aussah, vom Kopf zu ziehen. Sie streckte sich ein wenig und blickte uns fast herausfordernd an.
    Penny war die erste, die es entdeckte.
    »Sieh mal, Peter«, kreischte sie, »Caroline hat ihre Haare verloren!«
    Und das hatte sie tatsächlich.
    Mit geschwärztem Gesicht stand sie da, kahl wie ein gerupftes Huhn. Was sollte man da sagen?
    Vielleicht war es ein Glück, daß sie in diesem Augenblick ohnmächtig auf den Boden sank.
     

10. KAPITEL
     
    Wie eine abgestellte Maschine brauchten wir eine Weile, um wieder auf Touren zu kommen und die gewohnten Beschäftigungen aufzunehmen. Sogar den Zwillingen war ein Dämpfer aufgesetzt, aber sie waren ja auch an Windpocken erkrankt, und Peter sogar recht ernsthaft.
    Wie die meisten Ärzte, war ich einfach nicht in der Lage, mit Krankheiten bei meinen eigenen Kindern fertig zu werden. Ich meine damit nicht nur Peters einzigen Fleck, den ich an jenem schrecklichen Mittwoch nicht richtig erkannte hatte, obwohl ich ihm, wenn ich es mit einem Patienten zu tun gehabt hätte, im Hinblick auf die weitere Entwicklung mehr Beachtung geschenkt und zum mindesten Windpocken in Betracht gezogen hätte, die alle anderen Kinder in der Nachbarschaft schon hatten. Und vor allem hätte ich anderen Kindern den Schulbesuch untersagt.
    Wenn immer ich zu einem kranken Kind gerufen wurde, betrat ich zuversichtlich das Krankenzimmer, nahm den Bericht der Mutter entgegen, untersuchte das Kind, ganz gleich ob es schrie oder nicht, stellte eine genaue Diagnose und schrieb ein entsprechendes Rezept aus.
    Bei Penny und Peter war das anders. Ich nehme an, wenn es um die eigenen Kinder geht, sind die Gefühle allzusehr beteiligt, und man steht dann da wie ein zitternder Idiot, unfähig, einen Entschluß zu fassen, und denkt bei einem rauhen Hals, bei Kopfschmerzen oder Bauchkneifen gleich an Diphtherie, Gehirntumor oder Blinddarmentzündung. Dies hatte mich dazu gebracht, einige meiner Freunde, die zufällig Kinderärzte, Neurologen oder Chirurgen waren, zu Hilfe zu rufen, wenn es um meine eigene kleine Familie ging. Keiner von ihnen lehnte diese Besuche auch nur im geringsten ab, und alle versicherten mir, wenn ich mich beschämt entschuldigte, daß ich sie belästigt hatte, dieses Versagen seien sie von allen Ärzten mit kleinen Kindern gewohnt.
    Wenn die Kinder krank waren, war Sylvia brauchbarer als ich. »Ich versichere dir, sie haben bei der gestrigen Party nur zuviel Pudding gegessen«, beruhigte sie mich heiter, wenn Penny und Peter sich in den frühen Morgenstunden übergeben mußten. Das konnte natürlich stimmen, aber trotzdem spukten in meinem Kopf die Anzeichen einer akuten Gehirnhautentzündung, zu denen auch Übergeben gehörte, und die Merkmale plötzlicher Bauchfellentzündung herum.
    Und so kam es, daß Penny und Peter es im zarten Alter von sechs Jahren gewohnt waren, von Spezialisten untersucht zu werden, wenn sich nur die geringsten Krankheitszeichen bemerkbar machten. Sie nahmen ein krankhaftes Interesse an ihrem eigenen Gesundheitszustand und unterwarfen sich mit ernsthafter Aufmerksamkeit allem, was verlangt wurde: Blutproben, Untersuchungen und Befragungen. Wenn sie nur einen Spachtel erblickten, öffneten sie ihren Mund weit genug, daß man eine Faust hineinstecken konnte, hörten sie eine Spritze klappern, entblößten sie ihr Hinterteil, und es brauchte nur jemand sein Auroskop aus der Schachtel zu nehmen, schon hielten sie ihm das eine oder andere Ohr zur Untersuchung hin.
    Während der augenblicklichen Krankheit fragten sie mich jeden Morgen und jeden Abend mit monotoner Regelmäßigkeit, ob ich es nicht für ratsam halten würde, einen Windpocken-Spezialisten hinzuzuziehen. Es war klar, daß sie nicht allzuviel Vertrauen zu meiner ärztlichen Kunst hatten, als ich ihnen versicherte, daß ich sehr wohl imstande sei, mit dieser Krankheit ohne Hilfe fertig zu werden.
    Wir hatten ein richtiges Krankenhaus hier. In einem Zimmer lagen die Zwillinge mit Windpocken im Bett, und Caroline erholte sich in einem anderen von den Nachwirkungen des Feuers.
    Die »Bushfield-Park-Schule«

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