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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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war glimpflich davongekommen. Obwohl das halbe Gebäude abgebrannt war, hatte es kein Menschenleben gekostet.
    Der schlimmste Fall war die arme Miss Woodcock gewesen, die zu ihrem Pech gerade die Aufsicht im Garderobenraum gehabt hatte, als die Explosion im Heizungskeller passierte, und fast genauso schlimm war die kleine Webster verbrannt, der Caroline zweifellos das Leben gerettet hatte.
    Ich hatte beide im Krankenhaus besucht. Miss Woodcock sprach nur davon, wie dankbar sie sei, daß alle Kinder gerettet werden konnten, obwohl ihre Verbrennungen nur wenig unter dem Ausmaß lagen, das eine Rettung unmöglich gemacht hätte, und trotz ihrer sicherlich ungeheuren Schmerzen brachte sie es fertig, sich nach Penny und Peter zu erkundigen.
    Einige der Kinder, die leichte Verbrennungen oder Rauchvergiftungen erlitten hatten, konnten nach einigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Nur die kleine Beryl Webster mußte noch, flach auf dem Rücken liegend, Arme und Beine mit Mull bedeckt, in der Kinderstation bleiben. Es würde eine lange, lange Zeit dauern, bis sie wieder herumlaufen konnte. Wenn Caroline nicht gewesen wäre, hätte sie es überhaupt nicht überlebt: Caroline hatte sie in einer der Toiletten, halb vom Rauch erstickt, gefunden. Obwohl der Teil des Garderobenraumes, den man durchqueren mußte, um die Toiletten zu erreichen, halb in Flammen stand, hatte Caroline, wie sie sagte, eine Ahnung gehabt, daß noch ein Kind in den Toilettenkabinen stecken mußte. Sie war auch unbeschädigt bis zu der kleinen Beryl durchgedrungen, aber als sie sich umwandte, um zurückzugehen, war der ganze Raum ein Flammenmeer. Sie hatte sich das Kind unter den Arm geklemmt und erkannt, daß sie nur dann eine Chance haben würde, hier herauszukommen, wenn sie, so schnell sie konnte, durch die Flammen stürzen würde, die jetzt schon zwei Reihen der Mantelregale ergriffen hatten. So hatte sie den Versuch gemacht und die andere Seite sicher erreicht, ohne zu bemerken, daß ihr langes Haar Feuer gefangen hatte. Ein Feuerwehrmann, der gerade den Garderobenraum von der anderen Seite her betrat, hatte ihren Kopf sofort in seine Jacke gewickelt und damit ihr Leben, wenn auch nicht ihr Haar, gerettet, und sie und das Kind herausgebracht.
    Jetzt litt sie mehr unter den Nachwirkungen des Schocks als unter sonstigem, obwohl ihre Stirn und ein Arm leicht verbrannt waren.
    Man mußte sie bewundern. Bei solch einem verunstaltenden Verlust, wie Caroline ihn erlitten hatte, würden sich neun von zehn Frauen in die Einsamkeit verkrochen haben. Nicht so Caroline. Sie umhüllte ihren Kopf mit unendlichen Variationen von Tüll und Bändern, die sie sich im Bett sitzend nähte, und lud die ganze Welt ein, sie in ihrem Schlafzimmer zu besuchen. Sie war glücklich daran, daß sie eines der Gesichter hatte, das sich auch allein, ohne den verschönernden Einfluß eines Haarschopfes, sehen lassen konnte, aber selbst so fiel es einem schwer, ihr in die Augen zu blicken. Caroline jedoch, fröhlich wie immer, beruhigte alle. Bei jedem Besuch bestand sie darauf, daß wir ihren neuesten Kopfschmuck bewunderten, und erzählte uns allen, wie sehr sie sich nach ihrem ersten Ausgang sehnte, damit sie sich eine wirklich aufregende, strohblonde Perücke kaufen könnte. Es sei schon immer ihr Wunsch gewesen, wenigstens behauptete sie das, erstens: einmal eine Perücke zu tragen, und zweitens: strohblond zu sein; nun sei die Gelegenheit zu beidem gekommen. Sie lachte, sang, schickte Geschenke von ihrem eigenen Krankenbett zu den Zwillingen und spielte den Hanswurst in Person. Ich glaubte schon, daß es nichts geben würde, was sie unterkriegen könnte, bis ich eines Nachmittags in ihr Zimmer trat, als sie niemanden erwartete.
    Nach dem Lunch hatte Caroline uns allen erklärt, daß sie schlafen und bis vier Uhr nicht gestört werden wolle. Dann würde sie uns alle mit einem vollkommen neuartigen Modell von Kopfputz begeistern, mit dessen Herstellung sie den Vormittag zugebracht hatte.
    Um drei Uhr, als ich mit meinem Mikroskop arbeitete, hätte ich einige Dias gebrauchen können, die ich während meiner Studentenzeit gesammelt hatte. Sylvia meinte, daß sie sie zusammen mit meinem Totenkopf und dem in Spiritus konservierten Fötus in das oberste Schrankfach im Gästezimmer geschoben hätte.
    »Du kannst aber jetzt nicht hinaufgehen«, sagte sie noch, »Caroline schläft.«
    »Ich muß die Schachtel haben, ich bin ganz leise und störe sie nicht.«
    Und so schlich ich

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