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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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mich ohne das geringste Geräusch in das Gästezimmer, das Caroline jetzt zu ihrem eigenen gemacht hatte.
    Caroline schlief nicht und war auch nicht im Bett. Sie saß vor dem Spiegel der Frisierkommode und starrte auf ihren kahlen Kopf, auf dem schon ein feiner grauer Flaum zu sehen war. Ihr Gesicht war naß von Tränen.
    »Caroline«, sagte ich, da mir im Augenblick nichts anderes einfiel.
    Aber sie starrte nur weiter ihr groteskes Spiegelbild an und stöhnte: »Mein Gott! Mein Gott!«
    Ich kam mir wie ein Einbrecher vor. Meine erste Reaktion war, mich wieder hinauszuschleichen und vorzugeben, daß ich nichts gesehen habe, aber dann dachte ich, daß sie ja doch trotz all ihrer Großtuerei nur ein Kind sei, das meilenweit von seiner Heimat entfernt war, und ich fand es richtiger, zu bleiben.
    Ich setzte mich auf den Stuhl neben sie und legte meinen Arm um sie. Eine Weile starrte sie noch in den Spiegel, dann sank ihr Kopf an meine Schulter, und sie schluchzte, als wollte sie nie wieder aufhören. Ich erzählte ihr, wie tapfer sie gewesen sei, daß das Kind ohne sie im Feuer umgekommen wäre, daß ihr Haar bald wieder wachsen und sie schöner als je aussehen würde, daß wir sie alle gern hätten, daß ich ihr eine Perücke kaufen wolle, daß die vornehmsten Frauen heutzutage Perücken trügen, daß sie einen großartigen Charakter bewiesen hätte, der mehr wert sei als ein paar Haarsträhnen, und daß wir immer für sie da wären.
    Schließlich kamen die Schluchzer in größeren Abständen. Als sie endlich ihren Kopf hob und ich in ihr verquollenes Gesicht mit den roten Augen blickte, mußte selbst ich zugeben, daß sie nicht gut aussah. »Nun bin ich erst richtig schön!« sagte sie. Aber schon während sie das sagte, hoben sich ihre Mundwinkel zu einem Lächeln, und ich sah wieder die alte Caroline vor mir, wie wir sie alle kannten und für unverwüstlich gehalten hatten. Ich hätte wissen sollen, daß sie dazu eine Menge Tapferkeit nötig gehabt hatte.
    Sie erzählte mir jetzt, warum sie von zu Hause fortgegangen und nach England gekommen war. Es war nicht allein wegen des Studiums der Soziologie. Das war mehr eine Ausrede.
    Es hatte da einen Mann gegeben, erzählte sie, der wundervollste Mann, der je gelebt hatte, wenigstens hatte sie das angenommen. Er war älter als sie, fünfunddreißig, groß, dunkel und sehr hübsch. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Vom ersten Augenblick an war ihr Leben im Gleichschritt verlaufen, und sie hatten einander herzlich geliebt. Es gab nur einen wunden Punkt in ihrem Glück. Der Mann war verheiratet. Von seiner Frau wurde er natürlich nicht verstanden, und er gab an, in Scheidung zu leben und in spätestens drei Monaten frei zu sein, um Caroline zu heiraten. Aus den drei Monaten wurden sechs, und aus dem halben ein ganzes Jahr. Nach zwei Jahren pfiff die Frau, und der Mann kehrte, mit Entschuldigungen für Caroline, zu ihr zurück. Caroline, der seine Gemeinheit das Herz gebrochen hatte, da sie fest daran glaubte, daß er sie genauso liebte wie sie ihn, war nach England gekommen, um zu vergessen.
    »Das tut mir leid«, sagte ich, als sie geendet hatte. »Das hätte ich. nie gedacht.«
    »Warum solltest du auch? Das ist doch eine ganz persönliche Angelegenheit.«
    »Und bist du nun darüber hinweg?«
    »Manchmal glaube ich es. Ich rede mir immer wieder ein, daß ich jung und dumm war.« Sie seufzte. »Manchmal kann ich es immer noch nicht glauben.« Sie nahm eine Brieftasche von ihrem Nachttischchen und zeigte mir sein Foto. An ihrem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, daß sie noch keineswegs darüber hinweg war.
    Er war ein gut aussehender Marlon-Brando-Typ. Er hatte seinen Arm um sie gelegt, und sie blickte bewundernd zu ihm auf.
    »Am Strand«, sagte sie. »Beim letzten Mal.« Sie legte die Brieftasche wieder fort.
    »Mach dir meinetwegen keine Sorgen, Dok«, fuhr sie dann in ihrer beinahe wieder gewohnten, fröhlichen Art fort. »Ich komme schon allein zurecht.«
    »Wir werden sehen, was sich machen läßt«, sagte ich, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, nein. Ich ziehe es vor, mich selbst zu bemühen. Es dauert lange, bis ich mich verliebe, aber wenn der Groschen fällt, weiß ich es sofort. Wenn du es klingeln hörst, weißt du, daß es soweit ist.«
    »Ich werde aufmerksam horchen«, versprach ich.
    Caroline blickte auf ihren Reisewecker. »Dok, würdest du mir einen Gefallen tun?«
    »Natürlich.«
    »Auf dem Regal steht eine dunkelblaue Flasche, das ist

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