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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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alle seine Kollegen werden ihn vermissen. Er war ein guter Familienvater und hinterläßt eine Witwe und zwei Kinder, denen wir unser Mitgefühl aussprechen.< Zu der Zeit, wenn das von den dankbaren Patienten zu lesen sein wird, werden diese schon Schlange stehen, um meinen Nachfolger kennenzulernen, und schreckliche Vergleiche ziehen.«
    »Du bist selber schrecklich«, erklärte Sylvia. »Übrigens wird das alles nie geschehen. Wie ich dich kenne, wirst du uns alle überleben und einer dieser hageren Tattergreise werden, die bis vierundachtzig Jahre Auto fahren und bei unverminderter geistiger Regsamkeit im Altersheim für Ärzte im reifen Alter von hundertunddrei sterben.«
    »Du denkst an das >Heim für alte Gäule<. Für Ärzte gibt es noch keins. Obwohl das eine gute Idee wäre.«
    »Sag mir mal, wie ist denn eigentlich dieser Dr. Letchworth?«
    »Du brauchst nicht das Thema zu wechseln, Süße. Ich habe nur Spaß gemacht. Alle Ärzte sind so. Wir bilden uns dauernd ein, daß wir in den Klauen irgendeiner schrecklichen Krankheit stecken, bei der es kaum eine Genesung gibt. Das ist eine Art Beschäftigungsspiel und bedeutet gar nichts. Du darfst uns diese kleine Neurose nicht übelnehmen.«
    »Du denkst dabei an dein tägliches Wiegen?«
    »Sicher. Faraday nimmt dreimal am Tag seinen Blutdruck, und ein anderer Bursche, den ich vom Krankenhaus her kenne, führt eine eigene Temperaturkarte.«
    »Und so was habe ich geheiratet!« stöhnte Sylvia.
    »Tut’s dir leid?« Ich nahm ihre Hände und zog sie aus dem Sessel.
    »Natürlich, das weißt du doch«, aber der Blick ihrer Augen leugnete ihre Worte.
    »Ich weiß nicht, ob du es dir schon einmal klargemacht hast«, sagte ich, »aber wir sind jetzt seit acht Jahren verheiratet.«
    »Es kommt mir vor wie acht Minuten.«
    »Hast du eine Ahnung, wo die Jahre geblieben sind?«
    »Ich hatte noch keine Zeit, darüber nachzudenken.«
    »Ich auch nicht. Wenn wir erst einmal Dr. Letchworth und Miss Soundso aus der Schweiz angelernt haben, werden wir wohl endlich einmal zur Ruhe kommen und Inventur machen können. Wenn es uns jetzt nicht gelingt, dann müssen wir es aufschieben, bis wir das Greisenalter erreicht haben.«
    »Ich dachte, du träumtest davon, in der >Blüte deiner Jugend< zu sterben?«
    »Man kann sich doch mal irren.«
    »Freut mich, das zu hören.«
    Ich zog sie in meine Arme. »Vielleicht kommt es doch noch zum Heim für alte Ärzte.«
    »Ich hätte nichts dagegen«, stimmte Sylvia zu und drückte sich fest an mich, »solange man es den alten Ehefrauen erlaubt, mitzukommen.«
     

11. KAPITEL
     
    An >dem Tag< stand ich früh auf, rasierte mich mit besonderer Sorgfalt und zog mein bestes Hemd an. Auf Sylvias Frage, ob ich zu einer Hochzeit wolle, antwortete ich >nein<, aber mein neuer Assistent würde seine Arbeit beginnen, und man müsse ein Beispiel geben.
    Aber Robin Letchworth war noch früher aufgestanden. Als ich herunterkam, sah ich seine Silhouette hinter dem Glas der Haustür, wo er, mit seiner Ärztetasche bewaffnet, bereits wartete.
    »Kommen Sie herein«, sagte ich, »und trinken Sie Kaffee mit mir, während ich versuchen werde, Sie ein bißchen ins Licht zu setzen. Es wird heute ganz schön voll werden, wie immer am Montagmorgen.«
    Robin sah mir zu, während ich meinen Toast aß und versuchte, ihm in großen Zügen die Art meiner Praxisführung auseinanderzusetzen.
    »Sie haben doch kein Lampenfieber?« fragte ich, aber er sah keineswegs danach aus. Er war groß und gut aussehend und, ein Bein wippend über das andere geschlagen, saß er da, als bestände für ihn nicht die geringste Sorge in der Welt.
    Ich unterrichtete ihn über die verschiedenen Hilfskräfte, die in meinem Bezirk zur Verfügung standen, erklärte ihm, was ich mit meinen psychiatrischen Fällen täte und bei welchen Symptomen von Simulanten er die Augen offenhalten müßte.
    Er blickte auf seine Uhr. »Müssen wir nicht anfangen?«
    »In fünf Minuten ist es soweit. Das Wartezimmer ist sicherlich schon überfüllt.«
    Wir wollten unsere Sprechstunde gemeinsam abhalten. Auf der meinem eigenen Sprechzimmer gegenüberliegenden Seite des Wartezimmers befand sich ein kleiner Raum, der von meinem Vorgänger und von uns selbst bis vor einer Woche als Rumpelkammer benutzt wurde. Jetzt hatten wir all das Gerümpel, das sich angesammelt hatte, ausgeräumt und einen Schreibtisch, eine Untersuchungscouch und Stühle hineingestellt. Der Erfolg davon war, daß unser Boden, der bisher zum

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