Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
Vom Netzwerk:
Dimitri. »Weißt du, wo sie mich zuerst hingesteckt haben? Zu den Evakuierten in Kobona ...« »In Kobona?«
    »Ja ...«, erwiderte Dimitri zögernd. »Warum? Hat Kobona irgendeine besondere Bedeutung?«
    »Allerdings.« Alexander musterte Dimitri. »Ich wusste nicht, dass du in Kobona warst.«
    »Wir haben uns eben ein bisschen aus den Augen verloren.« »Warst du auch im Januar da?«
    »Ich kann mich nicht mehr richtig erinnern«, erwiderte Dimitri. »Das ist schon so lange her.«
    Alexander stand auf. »Dima! Ich habe Dascha und Tatiana über das Eis dorthin gebracht ...«
    »Sie sind dir bestimmt sehr dankbar dafür.«
    »Das weiß ich nicht! Hast du sie vielleicht gesehen?«
    »Du fragst mich, ob ich unter all den Evakuierten in Kobona zwei bestimmte Mädchen gesehen habe?« Dimitri lachte.
    »Nicht irgendwelche Mädchen«, erwiderte Alexander kalt.
    »Tania und Dascha. Du hättest sie doch bestimmt erkannt, oder?«
    »Alexander ich würde ...« »Hast du sie gesehen?«
    »Nein«, erwiderte Dimitri. »Schrei mich nicht an. Aber ich muss sagen« Er schüttelte den Kopf. »Zwei hilflose Mädchen einfach in einen Lastwagen zu verfrachten, um ... Wohin wollten sie noch mal?«
    »Irgendwo in den Osten.« Er würde Dimitri den Namen des Ortes gewiss nicht auf die Nase binden. »Irgendwo tief ins Landesinnere? Alexander, was hast du dir bloß dabei gedacht?« Dimitri schmunzelte. »Du wolltest doch sicher nicht, dass sie sterben!«
    »Was soll das heißen, Dimitri?«, fuhr Alexander ihn an. »Was hatte ich denn für eine Wahl? Hast du nicht gehört, was letzten Winter hier in Leningrad los war? Was immer noch passiert?« »Doch, ich habe es gehört. Hättest du nicht etwas anderes organisieren können? Konnte Oberst Stepanow nichts für dich tun?«
    »Nein.« Alexander war es leid. »Hör zu, ich habe ...« »Ich sage doch nur, Alexander, dass die Evakuierten, die nach Kobona kamen, alle an der Schwelle des Todes standen. Ich weiß, dass Dascha hart im Nehmen war, aber Tania? Es überrascht mich, dass sie überhaupt so lange durchgehalten hat.« Dimitri zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, sie wäre die Erste, die ... Ich meine, selbst ich habe Dystrophie bekommen. Und die meisten Leute, die nach Kobona kamen, waren krank und halb verhungert. Und dann wurden sie mit Lastwagen sechzig Kilometer weit zu den Zügen transportiert, und das waren nur Viehtransporte.« Leiser fuhr Dimitri fon: »Ich weiß ja nicht, ob es stimmt, aber ich habe Gerüchte gehört, nach denen siebzig Prozent der Leute in den Zügen entweder an der Kalte oder an irgendwelchen Seuchen zugrunde gegangen sind,« Er schüttelte den Kopf. »Und du wolltest, dass Dascha und Tatiana das durchmachen? Du bist mir ja ein zukünftiger Ehemann!« Er lachte. Alexander biss die Zähne zusammen.
    »Ich bin jedenfalls froh, dass ich da weggehen konnte«, sagte Dimitri. »Mir hat es in Kobona nicht besonders gut gefallen.« »Ach?«, erwiderte Alexander verächtlich. »War es zu gefährlich dort?«
    »Nein, nicht deswegen. Die Lastwagen sind meist mitten auf dem See beschossen worden. Wir mussten nur beim Abladen helfen. Aber die Leute konnten alle nicht laufen. Sie waren alle schon so gut wie tot.« Dimitri blickte Alexander eindringlich an und sagte: »Erst letzten Monat haben die Deutschen drei Laster in die Luft gejagt.« Er seufzte. »Von wegen Nachschub ... Aber jetzt habe ich darum gebeten, dorthin versetzt zu werden.«
    Alexander drehte Dimitri den Rücken zu und begann, seine Wäsche zu falten. »Beim Nachschub zu arbeiten ist auch nicht gerade das Sicherste. Andererseits«, fügte er gleichgültig hinzu, »ist es für dich bestimmt ganz gut. Du bist dann derjenige, der die Zigaretten verkauft. Alle werden dich lieben.« Sie schwiegen beide. Die Kluft zwischen ihnen war größer denn je. Alexander wartete darauf, dass Dimitri zumindest nach Tatianas Familie fragte. Aber nichts geschah.
    Schließlich hielt Alexander es nicht mehr aus. »Dima, bist du auch nur im Entferntesten daran interessiert, wie es den Metanows ergangen ist?«
    Achselzuckend erwiderte Dimitri: »Wahrscheinlich auch nicht viel besser als den meisten anderen Leuten in Leningrad. Alle sind gestorben. Oder?« Er hätte genauso gut sagen können: Alle sind einkaufen gegangen, oder? Alexander senkte den Kopf. »Es herrscht Krieg, Alexander«, sagte Dimitri. »Nur die Stärksten überleben. Deshalb musste ich Tatiana aufgeben, obwohl ich sie sehr mochte. Ich denke immer noch sehr viel an

Weitere Kostenlose Bücher