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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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kannst.«
    »Oh, gut. Kann ich noch etwas Suppe haben?«
    Als sie nach dem Mittagessen im Fluss standen und Tatiana Alexander den Rücken wusch, sagte er: »Ich hätte Dascha nie heiraten können, solange du noch am Leben bist. Das weißt du. Die Wahrheit wäre spätestens hier in Lazarewo ans Licht gekommen. Und wie ist es bei dir?«
    Tatiana schwieg.
    Alexander ergriff das Haarwaschmittel und drehte Tatiana mit dem Rücken zu sich herum, sodass er ihr die Haare waschen konnte. Er ließ die seifigen Strähnen durch seine Finger gleiten und sagte: »Sie fehlt dir.«
    Tatiana nickte. »Ich frage mich manchmal, wie das Leben hier in Lazarewo wäre, wenn sie noch lebte.« Sie lehnte sich an ihn und murmelte: »Meine ganze Familie fehlt mir. Du hast ja deine Mutter und deinen Vater bestimmt auch vermisst.« »Dazu hatte ich keine Zeit«, erwiderte Alexander. »Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mein verdammtes Leben zu retten.« Er bog ihren Kopf zurück, um ihr die Haare auszuspülen.
    Aber Tatiana wusste, dass das nicht stimmte. »Weißt du, manchmal habe ich ein ganz komisches Gefühl wegen Pascha.« »Was für ein komisches Gefühl?«
    »Ich kann es nicht genau beschreiben. So als ob ein Zug in die Luft geflogen sei und man keine Leichen gefunden habe. Es macht seinen Tod irgendwie weniger real, dass ich nicht genau weiß, was passiert ist.«
    »Willst du damit sagen, dass du nur dann wirklich glauben kannst, dass einer deiner Lieben tot ist, wenn du siehst , wie er stirbt?«
    »So in etwa. Verstehst du das?«
    »Nein«, erwiderte Alexander. »Ich habe meine Eltern nicht sterben sehen, aber deswegen sind sie trotzdem tot.« »Ich weiß. Aber Pascha ist mein Zwillingsbruder, Er ist meine andere Hälfte. Und wenn er tot ist, was ist dann mit mir?« Sie seifte sich die Brüste ein und rieb dann ihre harten, aufgerichteten Brustwarzen an Alexanders Brust.
    »Das kann ich dir sagen. Du bist äußerst lebendig«, erwiderte Alexander lächelnd. »Weißt du was? Jetzt stelle ich dir mal eine Frage.« Er nahm ihr die Seife aus den Händen und warf sie ans Ufer. »Sagen wir mal, Dascha würde noch leben und du und ich wären noch nicht verheiratet, aber ...« - Alexander zog Tatiana an sich - »... aber ich hätte dich schon im Stehen geliebt, so wie jetzt ...« Beide stöhnten auf. »Hier in der Kama ... sag mir, mein lebendiges Weib, was hättest du dann getan? Hättest du mich dann gehen lassen, in dem Wissen ...« Sie schrie auf.
    »... wie das ist?«, flüsterte Alexander.
    »Ich will die Frage nicht beantworten«, stöhnte sie. Sie schlang ihm die Beine um die Taille und hielt sich an seinem Hals fest. Danach saßen sie im flachen Wasser, an einen Felsbrocken gelehnt, redeten leise miteinander und ließen ihre Blicke über den Fluss und das Gebirge in der Ferne schweifen. Nach einer Weile, als Alexanders Kopf an ihrer Brust immer schwerer wurde, flüsterte Tatiana: »Es war einmal ein Mann, ein strahlender Prinz unter lauter Bauern, der von einem zarten Mädchen verehrt wurde. Das Mädchen floh in das Land von Flieder und Honig und wartete dort ungeduldig auf ihren Prinzen. Endlich kam er - und überreichte ihr die Sonne. Sie konnten nirgendwo hingehen, sie hatten keine Zuflucht und mussten sich doch verbergen, sie besaßen nur ihr winziges Königreich, in dem nur vier Personen lebten - der Herr, die Geliebte und zwei Sklaven.« Tatiana zog Alexander fester an sich. »Jeder prachtvolle Tag war ein Wunder Gottes. Und das wussten sie auch. Eines Tages musste der Prinz fortgehen, aber das war nicht schlimm, weil das Mädchen ...« Tatiana brach ab. »Shura?« »Erzähl weiter«, murmelte er. »Es interessiert mich sehr, was als Nächstes passiert. Warum war es nicht schlimm? Was hat das Mädchen gemacht?« »Wie hat dir die Geschichte bis jetzt gefallen?« »Ganz gut. Am besten hat mir der Teil mit dem Herrn gefallen ...«
    Tatiana küsste ihn auf die Wange.
    »Ein endgültiges Urteil hebe ich mir bis zum Schluss auf.« Alexander rieb seinen Kopf an ihrer Brust. »Warum war es nicht schlimm?«
    »Es war deshalb nicht schlimm«, fuhr Tatiana fort, »weil das Mädchen geduldig darauf wartete, dass er zurückkam.« »Na ja, das ist ja auch ein Märchen. Und was geschah dann?« »Er kam tatsächlich zurück.« »Und dann?«
    »Und dann lebten sie glücklich bis an ihr Lebensende.« Alexander schwieg. Schließlich fragte er: »Und wo?« Tatiana blickte zu den Bergen des Ural und gab keine Antwort. Ächzend stand Alexander

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