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Die Liebenden von Sotschi

Die Liebenden von Sotschi

Titel: Die Liebenden von Sotschi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Hand, brezelkauend und so provokativ lächelnd, daß man ihm in die Zähne schlagen möchte, und sagt so einfach daher: Ich steige aus!
    »Sie sind krank, Boris Alexandrowitsch«, sagte Orlowskij heiser. »Ich werde es Sulfi Iwanowitsch sofort mitteilen. Ruhe haben Sie nötig, viel Ruhe. In einem Sanatorium werden Sie sich erholen.«
    »Ruhe in Sibirien? Krankenhaus mit Türen ohne Klinken? Vielleicht ein Nervensanatorium, wo ich viele ehemals bekannte Persönlichkeiten treffe? Sogar Generäle?«
    »Ich bin erschüttert!« Orlowskij umklammerte mit beiden Händen sein Bierglas. »Sie sind wirklich dekadent geworden!«
    »Ich habe endlich meine Freiheit, die Dinge beim Namen zu nennen.«
    »Wo sind die Filme?« fragte Orlowskij. Er hatte sichtlich keine Lust mehr, die Debatte fortzusetzen.
    »Nur ein Film, Genosse Oberst.«
    »Wann bekomme ich ihn?«
    »Im Austausch mit meiner Freiheit. Ich möchte auf ganz undramatische Art frei werden. Verstehen Sie, Michail Jefimowitsch?«
    »Wie können Sie drohen, Bubrow? Das Herz schmerzt mir, wenn ich so etwas höre!« Orlowskij beugte sich vor und dämpfte die Stimme noch mehr. »Boris Alexandrowitsch, Sie haben hier doch keine Zukunft! Kehren Sie zurück in die Heimat, und wir vergessen alles, was wir geredet haben.«
    »Warum reden wir aneinander vorbei?« Bubrow zerbrach die zweite Laugenbrezel zwischen seinen Händen und verstreute die Bruchstücke über die Theke. Es war der einzige Hinweis auf seine Nervosität. Dieses Gespräch veränderte sein Leben. Er verleugnete den Sowjetbürger Bubrow, um staatenlos und heimatlos zu werden. In dieser Stunde vernichtete er sich selbst, voll Hoffnung, daß es ihm gelingen würde, ein neuer Mensch zu werden. »Ich gehöre nicht mehr zu Ihnen.«
    »Das ist unmöglich!«
    »Ich mache es Ihnen vor, Michail Jefimowitsch.«
    »Sie glauben, es zu können. Für uns bleiben Sie für immer das, was Sie sind. Nur das Umfeld kann sich ändern. Waren Sie bisher ein stiller Held, so sind Sie jetzt ein unverschämter Verräter!«
    »So ist's gut!« Bubrow nickte. »Endlich haben wir den richtigen Ton gefunden. Wie man mit Verrätern umspringt, braucht mir keiner zu erklären.«
    »Das erleichtert vieles.«
    Bubrow trank sein Bier aus und schob, wie angeekelt, das Glas von sich weg.
    »Ich schicke Ihnen den Film ins Hotel«, sagte er. »Wie lange bleiben Sie in München, Michail Jefimowitsch?«
    »Das liegt nur an Ihnen, Bubrow. Sollten Sie doch noch vernünftig werden –«
    »Ich habe nie klarer gedacht.« Er atmete tief durch. »Dieser Film ist ein Beweis meiner Liebe zu meiner Heimat, zu meinem Volk. Ich gebe ihn her, um mein Rußland vor der Vernichtung zu retten. Das ist meine Pflicht. Meine letzte.«
    »Darüber sprechen wir noch, Boris Alexandrowitsch.«
    »Nein. Es waren schon zuviel Worte. Leben Sie wohl, Michail Jefimowitsch. Wo wohnen Sie?«
    Orlowskij nannte den Namen des Hotels. Als Bubrow sich abwandte, hielt er ihn am Ärmel fest. »Borja –«, sagte er fast zärtlich. »Eine Frau kann nie die Heimat ersetzen. Ein Frauenschoß ist nicht Mütterchen Rußland.«
    Wortlos schob Bubrow die Hand Orlowskijs weg und ging den breiten Gang zwischen den Verkaufsständen hinunter. Er blickte sich nicht mehr um. Er sah nicht wie ein Sieger aus, mit seinen nach vorn gebeugten Schultern – eher wie ein alter müder Mann.
    Orlowskij grunzte leise vor sich hin, putzte sich die Nase und war sich klar, daß dies nicht die letzte Begegnung mit Bubrow gewesen war.

Die Untersuchungsergebnisse lagen vor, aber sie brachten keine Erkenntnisse. Kriminalistisch waren sie nahezu uninteressant.
    Die Beamten des federführenden Dezernats 14 beim Polizeipräsidium München waren über ihre WE-Meldung nicht sehr glücklich. Das Landesamt für Verfassungsschutz, das BKA, Abteilung St. in Bad Godesberg und das Landeskriminalamt, Abteilung VIII, die sich nun auch um diesen Fall kümmern mußten, waren sich zwar einig, daß der Text der gefundenen Nachricht ganz im Stile nachrichtendienstlicher Mitteilungen verfaßt war, aber man sah auch ein, daß mit diesen beiden Zeilen herzlich wenig anzufangen war. Der Übereifer der Polizei hatte eine sehr heiße Spur völlig zerstört. Statt zu verhaften, hätte man in aller Stille observieren sollen, um diesen anscheinend neuen Agentenring ins Visier zu bekommen.
    Aber auch die Münchener Kriminaldirektion II, Fachkommissariat Erpressung, sprach ein Wort mit und trug zur Diskussion mit der Meinung bei, daß es sich um

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