Die Liebenden von Sotschi
Strelenko hatte eine ›normale‹ Liebschaft nach der anderen und auch schon einen Tripper hinter sich. Das stand alles in den Personalakten des KGB, den besten Dossiers aller Geheimdienste.
»Nein«, sagte Strelenko. »Ich weiß nicht, worum es sich handelt.« Auch seine Stimme war weich und wohlgefällig.
»Man hat Boris Alexandrowitsch Bubrow zum Tode verurteilt. Kennen Sie Bubrow?«
»Nur dem Namen nach. Der Flugzeugentführer.«
»Er ist es.« Ussatjuk nickte mehrmals. »Bubrow hat sich nach New York abgesetzt. Im Augenblick liegt er noch in der Schürze der CIA, aber dort wird er nicht bleiben. Er wird sich als braver Bürger niederlassen. Es geht nun darum, ihm das Todesurteil zu übermitteln.«
»Und es zu vollstrecken, Genosse Oberst?«
»Das ist logisch. Bubrow stellt eine permanente Gefahr für die Sowjetunion dar. Er weiß viel, zuviel! Ich erwarte von Ihnen, Ruslan Michejewitsch, daß Sie diesen Zustand der Bedrohung unseres Vaterlandes so schnell wie möglich beenden. Die Mittel ergeben sich aus der Situation; ihre Wahl bleibt voll und ganz Ihnen überlassen. Was zählt, ist nur der Erfolg!«
»Ich verstehe, Genosse Oberst«, sagte Strelenko mild. »Fliege ich allein nach New York?«
»Nein. Sie bekommen vier Mann mit. Mit britischen Pässen. Mit vier verschiedenen Flügen werden sie drüben eintreffen. Ihre Absprungbasis wird London sein. Ich habe erfahren, daß Sie gut Englisch sprechen.«
»Man ist zufrieden mit mir, Genosse Oberst.«
»In New York stoßen dann noch drei Mann zu Ihnen, die drüben seit Jahren leben. Dann haben Sie ein Kommando von sieben Mann. Genügt das?«
»Um einen Mann zu liquidieren?« Strelenko sah Ussatjuk etwas ungläubig an. »Wir wären dann acht. Für einen Mann?!«
»Sie kennen Bubrow nicht, Ruslan Michejewitsch. Und –« Ussatjuk holte tief Luft, »– es könnte ein Kommando ohne Rückkehr sein. Sie verstehen mich?«
Strelenko nickte. Sein hübsches Gesicht blieb bewegungslos. Eine Puppenmaske.
»Wo bekomme ich genaue Informationen?« fragte er.
»Bei mir.« Ussatjuk schob ihm ein Aktenstück über den Tisch. »Sehen Sie sich das an, Genosse Leutnant. Das ist ein Bild von Bubrow. Eine ganze Reihe von Fotos, mit allen möglichen Veränderungen, zu denen er im Laufe seiner Tätigkeit genötigt war. Hier, sogar ein echter Araber war er! Das war im Süd-Jemen. Seine richtige Haarfarbe ist blond. Honigblond. Und dazu graue Augen. Im Jemen hatte er braune Haftschalen und schwarze Locken, wie Sie. Nur nicht so schön! Sie müssen also damit rechnen, daß Bubrow sich auch in New York verändert. Erkennen können Sie ihn aber immer: Er hat links oben einen übergoldeten Vorderzahn und auf der rechten Handfläche eine vier Zentimeter lange Narbe. Die hat er in Beirut bei einer Messerstecherei bekommen.«
»Und wer ist das?« fragte Strelenko. Er zeigte auf drei Fotos von Irene Walther.
»Tja, das ist für Bubrow der Nabel der Welt! Wegen dieser Frau ist er zum Tode verurteilt. Sie hat Bubrow auf dem Gewissen. Sie hat ihn umgedreht.«
»Interessant.« Strelenko nahm ein Bild und betrachtete es genau. »Eine sehr schöne Frau.«
»Wäre Bubrow sonst umgefallen?«
»Sie ist bei ihm in New York?«
»Immer ist sie um ihn. Das erschwert Ihren Auftrag, Genosse Leutnant.«
»Das macht ihn einfacher für mich, Genosse Oberst.« Strelenko legte das Bild zu den Akten zurück, vorsichtig, als könne er es beschädigen. Seine Stimme blieb weich und zärtlich. »Erst die Frau – dann Bubrow. Damit locke ich ihn heraus, wo er auch ist.«
Ussatjuk spürte ein Kratzen in der Kehle. Er nickte stumm und sah Irenes Bild an. Es war, als verwandle sich ihr schönes Gesicht in einen Totenschädel.
»Es bleibt alles Ihnen überlassen, Ruslan Michejewitsch«, sagte er heiser. »Ich wiederhole: Wichtig ist allein der Erfolg.« Er klappte die Akte zu und gab sie Strelenko. »Sie fliegen am Sonntag nach London. In unserer Botschaft wird Ihr britischer Paß liegen. Und kommen Sie erst zurück, wenn wir Bubrow abhaken können! Sie haben jede Menge Zeit.«
»Die Quittung ist da!« sagte Cohagen. Er war in die Wohnung unter dem Dach gekommen und schwenkte ein Blatt Papier.
Bubrow und Irene saßen vor dem Fernseher und sahen einen amerikanischen Spionagefilm an. Es war unbegreiflich, wie sich die Agenten darin benahmen. Verfolgungsjagden, Schießereien, durch Mauern rasende Autos … Die Wirklichkeit war ganz still, undramatisch, im dunkeln verborgen. Nur ab und zu lag irgendwo ein
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