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Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Titel: Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B. Ragde
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Alter?«
    Am nächsten Tag bei der Arbeit, noch vor der Mittagspause, kam Andreas, der Kulturredakteur, und ließ sich auf ihrem Schreibtisch nieder.
    »Darf ich gratulieren?«, fragte er.
    »Von mir aus gern. Nur sag mir zuerst, wozu.«
    »Der Fotograf erzählt, dass du verheiratet bist.«
    »Ach, das, ja. Nein, das ist jetzt vorbei.«
    »Hab ich’s mir doch gedacht«, sagte er. »Gute Arbeit habt ihr da unten geleistet, übrigens.«
    »Vielen Dank.«
    Ja, vielen Dank, dachte sie, gute Arbeit da unten, auch wenn es sehr viel von hinten war, ihre Unterarme waren unvorstellbar müde, und bestimmt hatte sie sich einen Tennisarm dabei geholt. Sie wusste genau, dass Alex ihr bei ihrem nächsten Einsatz aus der Hand fressen würde. Und er würde es garantiert nicht wagen, danach mit den Kollegen darüber zu reden.

26
    Das Allerbeste beim Alleinsein war, in die leere Wohnung nach Hause zu kommen. Das Seltsame war, dass manche gerade darin das Gegenteil sahen: »Ist es nicht traurig, allein zu sein? In eine leere Wohnung zu kommen?«
    Wenn sie auf Reisen ging, bereitete sie vor der Abreise die Heimkehr vor. Sie wusste, dass sie müde sein würde, wenn sie mit dem Koffer und einem Stapel Post die Tür aufmachte. Die Zeitung wurde in ihrer Abwesenheit von einer älteren Nachbarin aus dem Briefkasten genommen und gelesen, und diese Frau erhielt einen regelmäßigen Strom von steuerfreiem Parfüm, Schokolade und Mentholzigaretten dafür, dass sie nach ihrer Post sah und die Blumen goss und die Heizkörper umstellte, wenn das Wetter sich plötzlich änderte, während sie nicht zu Hause war.
    Ehe sie losfuhr, scheuerte sie die Badewanne, legte Pink Floyds Dark Side of the Moon auf, legte einen guten Stapel Holz in den Kamin, wenn Herbst oder Winter war, füllte den Kamin mit frischen Teelichtern, wenn Frühling oder Sommer war, wusch alle Handtücher und Kleider und Bettwäsche, die gerade an der Reihe waren, leerte den Trockner, kaufte Gin und Tonic Water, wenn das nötig war, füllte Eiswürfeltüten und legte sie in die Gefriertruhe, überzeugte sich davon, dass sie Käsechips im Haus hatte, bezog das Bett frisch, räumte alte Zeitungen weg und zupfte tote Blätter von den Topfblumen, saugte alle Böden und putzte Waschbecken und Klo.
    Und in diese Leere kehrte sie zurück, in diese gute Wohnung, die nur ihr gehörte. Sie schloss die Eingangstür hinter sich ab, trug den Koffer ins Schlafzimmer, nahm Laptop und Interviewnotizen heraus, legte alles auf den Schreibtisch, warf die Plastiktüte mit der schmutzigen Wäsche auf den Boden vor der Waschmaschine, machte im Kamin Feuer, wenn Herbst oder Winter war, zündete die Teelichter an, wenn Frühling oder Sommer war, legte Pink Floyd auf, zog sich nackt aus und ließ die Kleider liegen, wo sie hingefallen waren, steckte den Stöpsel in der Badewanne ein und drehte das heiße Wasser auf, betastete den sauberen Fußboden mit nackten Füßen, während sie in die Küche stapfte und Ginflasche und Tonic und Eiswürfel und ein sehr großes und hohes Glas holte, stand nackt, während The Dark Side of the Moon spielte, und nahm den ersten Schluck, dann noch drei, sie war zu Hause.
    Und das sollte traurig sein?
    Wenn sie sehr lange weg gewesen war, stand auf dem Esstisch ein Kaffeebecher mit daunenweichem, grünem Schimmelkissen auf der Oberfläche, daraus hatte sie getrunken, ehe sie zum Flughafen gefahren war. Auch das gefiel ihr. Dass der Becher dastand, wenn sie nach Hause kam. Dass alles war wie vor ihrer Abreise. Übersichtlich und vorhersehbar und sehr, sehr sicher, und es war seltsam, an andere Zeiten zurückzudenken, als sie nicht so nach Hause kommen konnte, damals, als dieser Psychiater ihr Liebhaber gewesen war.

27
    Er war schon spannend gewesen, aber sie waren nie zusammengezogen. Trotzdem bestand er darauf, dass sie nach einer Reise sofort zu ihm kam, sie fehlte ihm wahnsinnig. Er wollte reden, reden, reden. Er hatte immer das Essen fertig, wenn sie kam, einen Überfluss an Essen und Trinken, sie war verliebt, und anfangs gefiel es ihr, ihren Koffer in seine Diele zu stellen, statt nach Hause zu ihrer Badewanne zu fahren.
    Er wollte alle Einzelheiten hören, was sie erlebt hatte, wie sich dieser und jener bekannte Musiker verhalten hatte, er schnitt alle ihre Reportagen aus der Zeitung aus und las sie mit penibler Genauigkeit, brachte beim Essen Kommentare und Wortbeiträge, ehe sie miteinander schliefen.
    Sie erkannte, dass die Beziehung nicht mehr lief, als sie ihn auf

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