Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst
er das Zimmer betrat. Er fluchte, riss an seiner Hose.
» OH, SCHEISSE ! Das tut ja vielleicht weh!«
Er kam nach drei Stößen, war in Minutenschnelle aber wieder steif. Danach fühlte sie sich für einige weitere Tage sicher. Aber es war eine ganz andere Sicherheit als das Alleinsein. Unter dem Gefühl der Sicherheit, wenn sie viel Sex hatte, schwelte die ganze Zeit eine Angst, die ihr schreckliche Dinge zuflüsterte, ab und zu ganz laut, manchmal kaum hörbar. Sie verschwand nie. Sie fragte sich, wie es Sigrid nur möglich war, sich bei einem Mann sicher zu fühlen, der entweder schlief oder fernsah? Der ihre Existenz auf Erden gerade noch registrierte? Was musste so eine Frau doch für einen Mut besitzen, um ihr Leben diesem Gefühl von Sicherheit zu unterwerfen? Vermutlich vertraute sie voll und ganz auf seine Trägheit, eine andere Erklärung war undenkbar.
23
Eine der neuen Volontärinnen wurde am laufenden Band verlassen. Die kleine hübsche Tonje. Ihre Freunde hielten maximal einen Monat durch. Und schon saß sie mit roten Augen bei der Montagsbesprechung und war auf eine kindische, unprofessionelle Weise abwesend.
Normalerweise bot sie einen angenehmen Anblick, es war wie die Titelseite eines Hochglanzmodemagazins zu betrachten, sie war Mitte zwanzig, und bestimmt verbrachte sie jeden Morgen Stunden im Badezimmer, mit Föhn und Make-up und zwei Schichten Wimperntusche und drei verschiedenen Lidschatten mit unsichtbaren Übergängen. Sie war immer hip gekleidet, ließ keinen Modetrend aus, es war leicht zu sehen, wofür sie ihr Gehalt ausgab.
Tonje war genau die Art Frau, mit der sie bei den jungen Männern im Netz konkurrierte. Brüste, die ohne Stütze standen, goldbraune Haut das ganze Jahr über, ein Hintern und ein Körper, die hautenge Jeans und Hautspalte zwischen Hose und Pullover vertragen konnten, professionell gezupfte Augenbrauen, kein Haar, das falsch lag. Die Stadt wimmelte nur so von solchen modelhübschen Mädels, dennoch suchten diese Männer im Netz nach einer älteren Frau, wenn die Welt vereinfacht und den Hormonen überlassen werden sollte.
In der Redaktion wechselten sie sich beim Trösten von Tonje ab, aber sie konnten ihr nur wenig helfen, weshalb es ihnen allmählich auf die Nerven ging. Tonje sagte immer dasselbe, wieder und wieder, wenn auch mit einer gewissen Variation:
»Ich dachte, alles wäre so wunderbar. Und dann sagt er einfach, es ist aus?! … Er hat gesagt, er wäre verrückt nach mir, das hat er jedes Mal gesagt, wenn wir uns getroffen haben, aber dann plötzlich, schwupp! … Kann es denn so schnell zu Ende sein? Ich habe nichts gemerkt, nichts geahnt. Und dann kam im Brukbar eine Frau zu mir und sagte, er hätte etwas mit einer Frau, die BWL studiert. Ich war total fertig, und das hab ich ihm auch gesagt. Ich habe auch gesagt, ich würde die Sache vergessen, wenn er nur … Ich habe die Neue gesehen. Die ist fett!«
»… Er hat mich doch aufgerissen! Und plötzlich bin ich nicht mehr gut genug? Nach nur drei Wochen? … Wenn er nur am Dienstag, als wir uns gesehen haben, etwas gesagt hätte! Dann hätten wir bestimmt bis zum Wochenende …«
Tonje brannte für ein oder zwei Wochen nur so vor Selbstgerechtigkeit, dann legte sich alles. NN wurde nur noch als Arsch bezeichnet, und die Welt war wieder in Ordnung. Dann gab es neue Kleider und neue Ausgehpläne und einen neuen Liebhaber und eine neue Verliebtheit und den ganzen Tag SMS und Gekichere: »Ach, er ist so süß! Ihr habt ja keine Ahnung, was er mir schreibt. Und ich verrat es euch auch nicht. Dir jedenfalls nicht, Ingunn.«
»Vielleicht kenne ich ihn ja schon?«
»Du bist immer so gemein. Du bist doch überhaupt nicht sein Typ. Außerdem haben wir es ganz toll zusammen, er braucht außer mir keine andere.«
»Ist er gut im Bett?«
»Igitt, also du nun wieder!«
»Ist er das?«
»Er darf allerlei mit mir machen, das sag ich dir.«
»Und was ist mit dir? Machst du auch allerlei mit ihm?«
»Dazu komm ich doch gar nicht, wenn er zugange ist. Und jetzt will ich nicht mehr darüber reden.«
Die kleine hübsche Tonje hatte nicht einmal verstanden, dass als »süß« bezeichnet zu werden das Letzte auf der Welt ist, was ein Mann will. Eine Frau konnte das meinen, konnte es denken, durfte es aber niemals sagen. Nicht zu anderen, nicht zu ihm. Sogar »wunderbar« war scharf an der Grenze – damit hatte sie viel Erfahrung. Was den Männern hingegen gefiel, war, wenn man ihren Schwanz pries, beschrieb,
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