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Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Titel: Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B. Ragde
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ungerecht. Endlich kommt uns Ingunn besuchen und dann soll ich …«
    »Du musst morgen in die Schule. Bist du fertig mit Mathe?«
    »Fast. Und dann noch ein bisschen Norwegisch. Blöde Hausaufgaben.«
    »Okay. Dann komm her.«
    Er zog Emma auf seinen Schoß. Dünne lange siebenjährige Beine in grüner Hose mit baumelnden Sockenfüßen, abgeblätterter rosa Nagellack auf winzigen Nägeln, eine Haarsträhne im einen Mundwinkel, eine Mutter, die gestorben war, als Emma in die Welt getreten und zur Person geworden war, man musste einfach versuchen, dieses Kind zu lieben, nicht zuletzt, weil man es eine kurze Sekunde lang gehasst hatte.
    »Meine Emma. Jetzt lernen wir Ingunn in Ruhe kennen, ja? Du hast für sie ein Bild gemalt, über das sie sich wahnsinnig gefreut hat. Sie ist fast an ihrem Geburtstag hier gewesen. Ingunn findet dich super. Aber du musst morgen zur Schule, und ab und zu müssen die Erwachsenen sich zuerst kennenlernen.«
    »Ich hab sie vor dir kennengelernt. Da hat sie noch Dame geheißen.«
    »Ich weiß. Aber gerade heute geht es ihr nicht so gut. Und dann ist ein bisschen Erwachsenenkram angesagt. Deshalb gehst du jetzt ins Badezimmer, und danach kommst du her und sagst gute Nacht, und dann darfst du … zwanzig Minuten vom letzten Harry-Potter-Hörbuch hören. Okay?«
    »Okay.«
    Und weg war sie.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Begreife nicht, warum ich hier bin«, sagte sie.
    »Ich habe seit unserer ersten Begegnung die ganze Zeit an dich gedacht«, gestand er.
    Sie hörten im Badezimmer Wasser laufen.
    »Das ist nicht möglich.«
    »Die schlimme rote Hose. Und es war dein erster Walkingversuch. Das war ganz offensichtlich.«
    »Ja, das hab ich ja auch gesagt. Dass ich erst seit einer Weile unterwegs war. Aber ich verstehe nicht, wieso du an mich gedacht hast. Ich verstehe das einfach nicht.«
    »Du hast so … ich weiß nicht … verletzlich gewirkt.«
    »Verletzlich? Ich? An dem Abend?«
    »Ja. Ich hatte solche Lust, dich in den Arm zu nehmen. Ganz plötzlich. Deshalb bin ich so schnell mit Emma nach Hause gegangen. Am liebsten wäre ich dageblieben und hätte dich kennengelernt.«
    Zwischen ihnen befand sich eine alte Tischplatte aus Kiefernholz. Zwei Speisedeckchen mit Filzblumen in den Ecken und Flecken an den Rändern.
    »Ich bin die Letzte auf der Welt, an die du denken dürftest«, sagte sie. »Sag, dass du das nicht tust. Sag es. Ich bin eine Fremde, sag das.«
    »Das sage ich nicht.«
    Im Badezimmer wurde das Wasser abgestellt.
    »Ich mache alle kaputt, die ich anfasse.«
    »Würdest du am Freitag oder Samstag zum Essen kommen? Wenn du ja sagst, wird Emma im Nu im Bett liegen.«
    »Freitag oder Samstag?«
    Sie leerte das Weißweinglas.
    Emma war wieder da.
    »Du hast nicht geduscht. Hast dir nur die Zähne geputzt. Das habe ich am Wasser gehört.«
    »Ich habe doch heute in der Schule geduscht.«
    »Hast du die Mundspülung benutzt?«
    »Natürlich.«
    Ihr Nachthemd war dunkelblau und reichte ihr bis zu den Knien, es hatte einen knallgelben Halbmond auf der Brust. Auch die Zehennägel wiesen Reste von rosa Nagellack auf. Nachdem sie ihren Vater umarmt hatte, legte sie ihr die dünnen Mädchenarme um den Hals.
    »Ingunn kommt am Freitag oder Samstag zu uns zum Essen«, verkündete er.
    »Wirklich?«, fragte Emma. »Am Freitag?«
    Ihr Gesicht war dicht bei ihrem, ihr Atem roch nach Zahnpasta, alles an ihrem Gesicht war so jung, Züge, über die sie niemals nachdachte, die perfekten Augenbrauen, der dünne Flaum auf den Wangen.
    »Ja, ich komme am Freitag, das ist abgemacht. Und dann bin ich in Superstimmung. Versprochen. Ich kann dir eine Baseball-Mütze mit dem Logo von der Zeitung mitbringen. Und CD s. Ich hab jede Menge, die nicht ganz in mein Ressort fallen. Hits for kids und so was.«
    »Ja!!!«
    »Dann gute Nacht und schlaf gut.«
    »Zwanzig Minuten mit Harry Potter. Ich stoppe die Zeit«, sagte er.

76
    »Du hast also an deinem Geburtstag doch noch Besuch bekommen?«
    »Nein. Aber ich hatte die Mail zu spät gelesen, und dann musste ich sie einfach anlügen. Ich bin kein sozialer Mensch.«
    »Wieso nicht?«
    Sie trank und sah ihn über den Glasrand an.
    »Das war eine ziemlich existenzielle Frage, Tom Ingulsen.«
    »Aber du sitzt jetzt hier. In meiner Küche. Und da dachte ich, ich könnte mir erlauben zu fragen.«
    »Ich glaube, vielleicht, dass … der Wein hat so einiges bewirkt. Etwas beiseitegeschoben. Ich bin so verdammt hormonell, und gegen Hormone kommt Alkohol nicht

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