Die Liebesgöttin in Höchstform (German Edition)
heutigen Treffen.
Der geographische Bogen beschrieb dabei die Strecke Teneriffa–Paris–Rom.
Adriano schenkte ihr erneut Wein nach, dann stellte er plötzlich eine Frage, die delikater schien als die vorangegangenen: »Woher kommt diese unterschwellige Traurigkeit, Amanda? Sei ehrlich, dich quälen doch oft Albträume, die dann sogar noch am nächsten Morgen einen Schatten auf die Realität werfen.«
Also erzählte sie ihm auch noch von Ricardo, dem alten Freund und selbsternannten spirituellen Meister auf Teneriffa. Und was dieser eines Nachts in Trance herausgefunden zu haben glaubte.
In einem früheren Leben bist du hier auf der Insel eine Guanchen-Prinzessin gewesen, mein Mädchen. Ja, du gehörtest einem Stamm dieser Ureinwohner Teneriffas an. Du warst wunderschön und außerordentlich begabt dazu. Du hast Steine zu Skulpturen verarbeitet. Nebenbei warst du auch die Tochter des damals regierenden Königs. Du wurdest beinahe wie eine Art Liebesgöttin von den gemeinen Leuten verehrt. Du warst etwas Besonderes …
An dieser Stelle unterbrach Adriano sie mit einem leisen, beinahe spöttischen Lachen: »Ein privilegiertes Leben also. Eigentlich kein Grund für Albträume und Herzrasen, möchte man meinen?«
Amanda musste ebenfalls lachen: »Warte, die Geschichte ist doch noch nicht zu Ende, der obligatorische Höhepunkt steht ja noch aus!«
Es war dir bestimmt, den Göttern als Liebesopfer zu dienen. Damit diese deinem Volk gegen die immer wieder angreifenden Spanier zu Hilfe kämen. Dazu solltest du als reine Jungfrau von den Felsen ins Meer springen. Und freiwillig noch dazu. Eine echte Opfergabe. Aber du warst ein ungehorsamer Fratz, du hast einen Mann rangelassen, oft und gerne. Er war von einfacher Herkunft, was die Sache nicht gerade besser machte. Übrigens ebenfalls ein Künstler. Der König, dein eigener Vater also, verurteilte euch beide zum Tode. Eine kleine Gnade gewährte er euch allerdings: Anstatt wie in solchen Fällen damals üblich mit Steinbrocken erschlagen zu werden, durftet ihr zusammen von einer Steinklippe ins Meer springen.
»Diese Aussage Ricardos deckte sich in den Hauptpunkten mit dem Inhalt eines wiederkehrenden Albtraums, der mich zu der Zeit gerade besonders quälte. Ich hörte darin den Richter den Urteilsspruch verkündenund wurde zusammen mit einem Mann, den ich liebte, weggeführt. Ich befand mich in heller Aufregung und war zutiefst verängstigt und verzweifelt …«
Adriano stieß einen leisen, interessierten Pfiff aus und unterbrach dadurch erneut Amandas Redefluss. Dann beugte er sich vor und füllte ein weiteres Mal ihr Glas auf.
»Und, was weiter? Hast du einen der Hauptakteure im Traum, den königlichen Richter oder deinen damaligen Liebhaber, erkannt?«
An dieser Stelle beschloss Amanda, ein wenig zu flunkern, was ihr auch überzeugend gelang, obwohl sie die Wirkung des Alkohols zunehmend spürte.
Adriano brauchte nicht zu wissen, dass der König und Vater von damals die Stimme ihrer großen Ex-Liebe Adrian aus ihrem gegenwärtigen Leben zu besitzen schien. Und ihr damaliger Liebhaber heute den Namen Peter Torstedt trug! Nichts davon war erwiesen, es hatte sich um Traumbilder gehandelt, sonst nichts. Das Unterbewusstsein verquickt oft Vergangenes und Gegenwärtiges und bastelt daraus eine neue Story zusammen.
»Nein, ich habe niemanden erkannt, Adriano!«
»Hat dich Ricardo etwa nicht weit genug zurückgeführt?«
»Er hat mich überhaupt nicht zurückgeführt, ich wollte das nicht, weil ich nicht unbedingt an diese Dinge glaube. Dafür wurde ich aber eines Tages in Gegenwart Ricardos auf einem Hochplateau in den Bergen Teneriffas ohnmächtig und habe wohl ein paar Wortein der alten Guanchen-Sprache gemurmelt. Ricardo versetzte sich daher in der darauf folgenden Nacht an diesem Ort selbst in Trance. Es gelang ihm, sich sozusagen in die Geschichte einzuklinken, weil er selbst zu jener Zeit auch gelebt hatte und ein Priester gewesen war. Jedenfalls hat er das behauptet, und ein Lügner ist Ricardo nicht. Am nächsten Tag kam er dann mit dieser Geschichte zu mir. Und immerhin hörte mein allnächtlicher Albtraum nach dem Erlebnis auf. Erst in den letzten Tagen hier in Rom ging es plötzlich wieder los damit, an manchen Morgen kann ich mich allerdings auch nicht an den Inhalt erinnern. Dann merke ich bloß, dass ich mich den ganzen Tag über gehetzt fühle, unausgefüllt und irgendwie … getrieben.«
»Hm!«, machte Adriano. »Merkwürdig.« Er schwieg eine
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