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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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mit gemahlenem Glas zu füttern. Sie behauptete, die Babyöltücher von der Marke, die Phyllida kaufte, seien «giftig». Und sie fuhr Phyllida an, als die das Stillen einen «Fimmel» nannte. Warum Alwyn darauf bestand, Richard so lange die Brust zu geben, war Phyllida ein Rätsel. Als sie eine junge Mutter gewesen war, hatte sie nur eine einzige Frau gekannt, Katja Fridliefsdottir, ihre Nachbarin aus Island, die aus Überzeugung stillte. Die ganze Sache mit den Babys war nach Phyllidas Meinung unglaublich kompliziert geworden. Warum musste Alwyn so viele Baby-Bücher lesen? Warum brauchte sie eine «Stillberatung»? Wenn Stillen so «natürlich» war, wie Alwyn immer behauptete, wozu dann eine Beraterin? Brauchte Ally etwa eine Atem- oder Schlafberaterin?
    «Das muss dein Graduierungsgeschenk sein», sagte Phyllida, als sie zum Auto kamen.
    «Das ist es. Was für ein Glück! Vielen, vielen Dank, Mummy.»
    Alwyn kletterte mit ihren Taschen auf den Rücksitz. «Ich habe nie ein Auto von dir und Daddy bekommen», sagte sie.
    «Du hast ja auch nicht graduiert», sagte Phyllida. «Dafür haben wir dir bei der Anzahlung des Hauses geholfen.»
    Während Madeleine den Motor startete, fuhr Phyllida fort: «Ich wünschte, ich könnte euren Vater überzeugen, ein neues Auto zu kaufen. Er fährt immer noch diesen schrecklichenalten Thunderbird. Stellt euch das mal vor! Neulich habe ich in der Zeitung von einem Künstler gelesen, der sich in seinem Auto
begraben
ließ. Ich habe das für Alton rausgerissen.»
    «Die Idee hat Daddy wahrscheinlich gefallen», sagte Madeleine.
    «Nein, hat sie nicht. Neuerdings ist er ganz feierlich, wenn es um den Tod geht. Seit er sechzig geworden ist. Jetzt macht er alle möglichen Freiübungen im Keller.»
    Alwyn öffnete den Reißverschluss einer ihrer Taschen, nahm die Milchpumpe und ein leeres Fläschchen heraus. Sie begann, ihre Bluse aufzuknöpfen. «Wie weit ist es bis zu dir?», fragte sie Madeleine.
    «Ungefähr fünf Minuten.»
    Phyllida warf einen Blick nach hinten, um zu sehen, was Alwyn machte. «Würdest du bitte das Verdeck schließen, Madeleine?», sagte sie.
    «Keine Sorge, Mummy», sagte Alwyn. «Wir sind in P’town. Alle Männer hier sind schwul. Das interessiert keinen.»
    Gehorsam setzte Madeleine das Dach in Bewegung. Als der Schließvorgang mit einem Einschnappen beendet war, fuhr sie vom Flughafenparkplatz auf die Race Point Road hinaus. Die Straße führte durch geschützte Dünen, weiß vor einem blauen Himmel. Hinter der nächsten Kurve schossen ein paar vereinzelte moderne Häuser mit Sonnenterrassen und Schiebetüren aus dem Boden, und dann bogen sie auch schon in die von Hecken und Büschen gesäumten Straßen von Provincetown ein.
    «Wenn du dich so überlastet fühlst, Ally», sagte Phyllida, «wäre es doch vielleicht ein guter Zeitpunkt, Richard Löwenherz abzustillen.»
    «Es heißt, dass es mindestens sechs Monate dauert, bisein Baby seine Antikörper voll ausgebildet hat», sagte Alwyn, weiter pumpend.
    «Das hört sich nicht sehr wissenschaftlich an.»
    «Alle Studien besagen: mindestens sechs Monate. Ich werde es ein Jahr machen.»
    «Na dann», sagte Phyllida mit einem heimlichen Seitenblick zu Madeleine, «solltest du besser nach Hause gehen zu deinem Kind.»
    «Ich will nicht mehr darüber reden», sagte Alwyn.
    «Von mir aus. Reden wir über etwas anderes. Madeleine, wie gefällt es dir hier in der Gegend?»
    «Richtig gut. Außer dass ich mir manchmal etwas dumm vorkomme. Ich bin von lauter Mathegenies umgeben. Aber es ist wunderschön und das Essen ein Traum.»
    «Und Leonard, macht es ihm Spaß?»
    «Sehr», log Madeleine.
    «Hast du denn genug zu tun?»
    «Ich?
Und wie
. Ich schreibe meine Jahresarbeit um, damit ich sie bei der
Janeite Review
einreichen kann.»
    «Von dir wird was veröffentlicht? Wunderbar! Wie komme ich an ein Exemplar?»
    «Der Aufsatz ist noch nicht angenommen», sagte Madeleine. «Aber die Redakteurin will ihn sich ansehen, also hoffe ich.»
    «Wenn du Karriere machen willst», sagte Alwyn, «rate ich dir, heirate bloß nicht. Du glaubst, alles ist anders geworden und es gibt jetzt eine Art Gleichberechtigung der Geschlechter, weil die Männer sich verändert haben, aber ich kann dir was erzählen: Haben sie nicht. Sie sind genauso beschissen und egoistisch, wie Daddy es war. Immer noch ist.»
    «Ally, ich verbitte mir, dass du so über deinen Vater redest.»
    «Jawohl», sagte Alwyn und verstummte.
    Der idyllische Ort mit

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