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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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besser wissen.»
    «Es gibt tausend mögliche Gründe für diese Asymmetrie», fuhr Leonard fort. «Wir testen nur eine Möglichkeit, die mit dem H O-Gen zu tun hat. Das ist etwas kompliziert, aber im Wesentlichen ist es so: Wir schneiden das H O-Gen heraus und setzen es umgedreht wieder ein, sodass es nun auf dem anderen DN A-Strang in die umgekehrte Richtung gelesen werden kann. Wenn das die Fähigkeit der Tochterzelle beeinflusst, das Geschlecht zu wechseln, ist es das H O-Gen , das die Asymmetrie bewirkt.
    «Ich fürchte, jetzt komme ich nicht mehr mit.»
    Es war das erste Mal, dass Madeleine Leonard so offen über seine Arbeit reden hörte. Bis dahin hatte er sich immernur beklagt. Er konnte diesen Bob Kilimnik, der ihn wie eine Hilfskraft behandelte, nicht leiden. Er sagte, seine derzeitige Laborarbeit sei ungefähr so interessant wie das Auskämmen von Kopfläusen. Aber jetzt schien Leonard wirklich interessiert an dem, was er da machte. Während er sprach, war sein Gesichtsausdruck angeregt. Madeleines Glück darüber, ihn wieder lebendig werden zu sehen, ließ sie vergessen, dass er übergewichtig war und vor den Augen ihrer Mutter ein Bandana trug, und sie hörte zu, was er sagte.
    «Der Grund, warum wir Hefezellen untersuchen, ist der, dass sie fundamentale Gemeinsamkeiten mit menschlichen Zellen haben, nur viel einfacher sind. Die Haploiden ähneln Keimzellen, das heißt unseren Geschlechtszellen. Wir hoffen, das, was wir in den Hefezellen herausfinden, auf menschliche Zellen übertragen zu können. Wenn wir also herausfinden, wie und warum sie Knospen treiben, erfahren wir vielleicht etwas darüber, wie man diesen Prozess aufhalten kann. Es gibt Forschungsergebnisse, die belegen, dass die Knospung von Hefezellen mit der Vermehrung von Krebszellen vergleichbar ist.»
    «Dann finden Sie vielleicht ein Mittel gegen Krebs?», sagte Phyllida aufgeregt.
    «Nicht in dieser Studie», sagte Leonard. «Das eben meinte ich ganz allgemein. Hier testen wir eine Hypothese. Wenn Bob mit seiner Annahme richtigliegt, wird es große Folgen haben. Wenn nicht, haben wir wenigstens eine Möglichkeit ausgeschlossen. Und dann können wir von da aus weitermachen.» Er senkte seine Stimme. «Meiner Meinung nach ist die Hypothese, die wir hier untersuchen, irgendwie abwegig. Aber nach meiner Meinung hat niemand gefragt.»
    «Leonard, wann ist Ihnen klargeworden, dass Sie Wissenschaftler werden wollten?», fragte Phyllida.
    «In der Highschool. Da hatte ich einen großartigen Biologielehrer.»
    «Kommen Sie aus einer Wissenschaftlerfamilie?»
    «Ganz und gar nicht.»
    «Was machen Ihre Eltern denn?»
    «Mein Vater hat ein Antiquitätengeschäft betrieben.»
    «Ach wirklich? Wo?»
    «In Portland, Oregon.»
    «Und leben Ihre Eltern immer noch dort?»
    «Meine Mom schon. Mein Vater ist jetzt in Europa. Sie sind geschieden.»
    «Oh, ich verstehe.»
    An diesem Punkt sagte Madeleine: «Mummy, wir sollten gehen.»
    «Was?»
    «Leonard muss wieder an die Arbeit.»
    «O ja, natürlich. Also dann. Es hat mich so gefreut, Sie kennenzulernen. Schade, dass wir heute nur wenig Zeit haben. Es war einfach eine Schnapsidee, für so kurz hierherzufliegen.»
    «Bleiben Sie das nächste Mal ein bisschen länger.»
    «Liebend gerne. Vielleicht kann ich ja demnächst mit Madeleines Vater wiederkommen.»
    «Das wäre schön. Tut mir leid, dass ich heute so beschäftigt bin.»
    «Sie müssen sich nicht entschuldigen. Der Gang des Fortschritts!»
    «Eher ein Kriechen», sagte Leonard.
    Sobald sie draußen waren, wollte Alwyn in Madeleines Apartment gebracht werden. «Ich fange an, übers ganze Oberteil vorn auszulaufen.»
    «Passiert das?», sagte Madeleine erschrocken.
    «Ja. Du bist wie eine Kuh.»
    Madeleine lachte. Jetzt, nachdem die Begegnung vorüber war, fühlte sie sich so erleichtert, dass es ihr fast nichts mehr ausmachte, sich mit dem Familiennotfall zu beschäftigen. Sie führte Alwyn und Phyllida über den Parkplatz zu ihrem Gebäude. Alwyn war noch nicht durch die Tür, da hatte sie ihre Bluse schon halb aufknöpft. Drinnen ließ sie sich aufs Sofa plumpsen und holte die Milchpumpe wieder aus der Tasche. Sie löste die linke Seite ihres Still-BHs und setzte sich die Saughaube auf die Brust.
    «Sehr niedrige Decken», sagte Phyllida mit entschieden abgewandtem Blick.
    «Ich weiß», sagte Madeleine. «Leonard muss den Kopf einziehen.»
    «Aber ein wunderschöner Blick.»
    «O Mannomann», sagte Alwyn mit einem Lustseufzer. «Das tut

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