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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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und knabberte daran.
    Noch bevor sie sich umdrehen konnte, fiel Pookie Ames, aus der Küche kommend, über sie her.
    «Maddy! Du bist wieder da! Wie war’s auf dem Cape?»
    «Toll», log sie.
    «Nicht trostlos und deprimierend im Winter?» Pookie wollte ihren Ring sehen, schaute dann aber kaum hin, als Madeleine ihn ihr zeigte. «Ich fasse es nicht, dass du verheiratet bist», sagte sie. «Das ist so rückschrittlich.»
    «Ich weiß!», sagte Madeleine.
    «Wo ist denn dein Freund? Ich meine, Mann?»
    Es war unmöglich, von Pookies Gesicht abzulesen, wie viel sie wusste.
    «Er ist hier irgendwo», sagte sie.
    Andere Freunde drängten sich zu ihr vor. Dauernd musstesie Leute umarmen und berichten, sie ziehe bald in die Stadt.
    Pookie fing an, eine Geschichte zu erzählen: «Ich kellnere also im Dojo’s, und gestern Abend ruft mich so ein Gast zu sich und sagt: ‹Ich glaube, in meiner Wurst ist eine Ratte.› Und ich seh’s mir an – und da ragt ein Schwanz aus dem Ende hervor. So als wäre die ganze Ratte innendrin mitgekocht.»
    «O nein!»
    «Und einer der Vorteile des Jobs ist, du bekommst da umsonst zu essen.»
    «Das ist widerlich!»
    «Wart’s ab. Danach habe ich die Rattenwurst zum Geschäftsführer gebracht. Weil ich nicht wusste, was ich tun soll. Und der antwortet: ‹Sag dem Gast, das geht aufs Haus.›»
    Madeleine fing an, sich zu amüsieren. Der Bourbon war so süß, dass er wie eine alkoholische Variante von Cola schmeckte. Es war schön, unter Menschen zu sein, die sie kannte. Es gab ihr das Gefühl, die Entscheidung, nach New York zu ziehen, sei richtig. Die Isoliertheit in Pilgrim Lake war womöglich Teil des Problems gewesen. Sie leerte ihren Drink und goss sich nach.
    Als sie sich vom Getränketisch abwandte, bemerkte sie einen nett aussehenden Typen, der von der anderen Seite des Zimmers her ein Auge auf sie warf. In letzter Zeit hatte sie sich so krankenschwesternmäßig und entsexualisiert gefühlt, dass sie das als angenehme Überraschung empfand. Sie sah ihm einen Moment lang in die Augen, bevor sie wegblickte.
    Kelly kam zu ihr und flüsterte: «Alles in Ordnung?»
    «Leonard ist im Schlafzimmer.»
    «Immerhin ist er mitgekommen.»
    «Er macht mich wahnsinnig.» Sofort fühlte sie sich schuldig, das gesagt zu haben, und schwächte ab: «Er ist einfach wirklich erschöpft. Es war lieb von ihm mitzukommen.»
    Kelly beugte sich wieder vor: «Dan Schneider nötigt mich zum Trinken.»
    «Und?»
    «Ich lasse mich liebend gern nötigen.»
    Die nächste halbe Stunde machte Madeleine die Runde, frischte Bekanntschaften auf. Dauernd erwartete sie, Leonard werde wiederauftauchen. Als er nach weiteren fünfzehn Minuten nicht kam, ging sie nachsehen.
    Das Schlafzimmer war voller Möbel im Mission-Stil und Radierungen zu Shakespeare-Themen. Leonard stand am Fenster und unterhielt sich mit jemandem, der ihr den Rücken zukehrte. Madeleine stand längst im Zimmer, als ihr klarwurde, dass es Mitchell war.
    Es gab vermutlich Leute, denen mit Leonard zufällig zu begegnen peinlicher gewesen wäre, doch in diesem Augenblick fiel Madeleine nicht ein, wer das hätte sein können. Mitchell hatte sich die Haare abschneiden lassen und war noch dünner geworden. Schwer zu sagen, was schockierender war: dass er plötzlich dastand, sein seltsames Aussehen oder dass er sich mit Leonard unterhielt.
    «Mitchell!», sagte sie und bemühte sich, nicht allzu fassungslos zu wirken. «Was hast du mit deinen Haaren gemacht?»
    «Ich hab sie ein bisschen schneiden lassen», antwortete er.
    «Ich hätte dich beinahe nicht erkannt. Wann bist du zurückgekommen?»
    «Vor drei Tagen.»
    «Aus Indien?»
    Aber an dieser Stelle unterbrach Leonard sie: «Wir sind mehr oder weniger mitten im Gespräch», sagte er verärgert.
    Madeleine schaltete abrupt um, als wäre sie bei einem Aufschlag auf dem falschen Fuß erwischt worden. «Ich bin nur gekommen, um zu sehen, ob du bereit bist zu gehen», sagte sie ruhig.
    «Ich
will
ja gehen. Aber zuerst will ich dieses Gespräch beenden.»
    Sie sah Mitchell an, als könnte er etwas dagegen einzuwenden haben. Aber auch er schien erpicht darauf, dass sie ging. Im Bemühen, so zu tun, als wäre sie noch Herr der Lage, winkte sie kurz und zog sich aus dem Zimmer zurück.
    Sie mischte sich erneut unter die Partygäste und versuchte, sich wieder zu amüsieren. Aber mit ihren Gedanken war sie woanders. Sie fragte sich, worüber Leonard und Mitchell sprachen. Sie machte sich Sorgen, sie könnten über

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