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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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«Ein Substantiv! Das habe ich nicht mal zu träumen gewagt, ein Substantiv zu sein.»
    «Was würde bankheadisch bedeuten?»
    Leonard dachte eine Sekunde lang nach. «Abgeleitet von oder bezogen auf Leonard Bankhead (Amerikaner, geboren 1959), bekannt für seine exzessive Introspektion oder Beunruhigung. Finster, depressiv. Siehe
hoffnungsloser Fall

    Madeleine lachte. Leonard blieb stehen, fasste sie am Arm und sah sie ernst an.
    «Ich nehm dich gerade mit zu mir», sagte er.
    «Was?»
    «Die ganze Zeit, seit wir losgegangen sind, habe ich dich den Weg zu mir nach Hause geführt. So mache ich das offenbar. Es ist eine Schande. Eine Schande. Ich will das nicht, so soll es nicht sein. Nicht mit dir. Darum sag ich’s dir lieber.»
    «Ich habe mir schon gedacht, dass wir zu dir gehen.»
    «Wirklich?»
    «Ich wollte dich darauf ansprechen. Sobald wir in der Nähe sind.»
    «Wir sind schon in der Nähe.»
    «Ich kann nicht mit raufkommen.»
    «Bitte.»
    «Nein. Nicht heute.»
    «Hannaesk»
, sagte Leonard. «Verstockt. Eisernen Prinzipien verschrieben.»
    «Hannarisch»
, sagte Madeleine. «Gefährlich. Sollte man nicht provozieren.»
    «Ich bin gewarnt.»
    Auf der kalten, dunklen Planet Street sahen sie einander an. Leonard nahm die Hände aus den Taschen, um sich seine langen Haare hinter die Ohren zu stecken.
    «Vielleicht komme ich doch mit rauf, aber nur auf einen Sprung», sagte Madeleine.
     
    «Glückliche Tage»
    Fête
/ Fest
    Das liebende Subjekt erlebt jede Begegnung mit dem geliebten Wesen als Fest.
     
    1.   Das Fest – das, was erwartet wird. Was ich von der versprochenen Präsenz erwarte, ist eine unerhörte Summierung von Wonnen, ein Gelage; ich jubele wie das Kind, das sich das Wesen zu sehen freut, dessen bloße Gegenwart eine Fülle von Befriedigungen verheißt und bedeutet: ich werde, für mich ganz allein, die ‹Quelle alles Guten› vor mir haben.
    Ich lebe so glückliche Tage, wie sie Gott seinen Heiligen aufspart; und mit mir mag werden, was will, so darf ich nicht sagen, dass ich die Freuden, die reinsten Freuden des Lebens nicht genossen habe.
     
    Es war fraglich, ob Madeleine sich auf den ersten Blick in Leonard verliebt hatte. Sie kannte ihn ja damals nicht, alsowar das, was sie empfand, nur sexuelle Anziehung gewesen, keine Liebe. Auch nachdem er sie zum Kaffee eingeladen hatte, konnte sie nicht behaupten, dass das, was sie spürte, mehr als ein Verknalltsein war. Aber seit dem Abend, an dem sie nach der
Amarcord-
Vorstellung bei Leonard zu Hause im Bett gelandet waren und Madeleine gemerkt hatte, dass sie sich nicht, wie es ihr sonst mit Typen oft erging, von irgendwelchen physischen Sachen abgestoßen fühlte, ja dass sie weder dagegen ankämpfen noch versuchen musste, widerwillig über etwas hinwegzusehen, sondern im Gegenteil die ganze Nacht beunruhigt war,
sie
könne Leonard abstoßen, ihr Körper sei nicht gut genug oder ihr Atem stinke nach dem Caesar Salad, den sie sich dummerweise zum Abendessen bestellt hatte, beunruhigt auch wegen ihres Vorschlags, Martini zu trinken, und des sarkastischen Tons, in dem Leonard daraufhin gesagt hatte: «Klar, Martini. Dann können wir Salinger-Figuren spielen» – nachdem sie, infolge all dieser Ängste und trotz der wahrhaft beachtlichen Nummer, die sie miteinander hingelegt hatten, so gut wie keine sexuelle Lust empfinden konnte und Leonard (wie alle Männer) sofort eingeschlafen war, während sie, hellwach, in der vagen Hoffnung, keine Harnwegsentzündung zu bekommen, seinen Kopf gestreichelt hatte, fragte Madeleine sich, ob die Tatsache, dass sie die ganze Nacht beunruhigt gewesen war, nicht in Wirklichkeit todsicher darauf schließen ließ, dass sie anfing, sich zu verlieben. Und nachdem sie die nächsten drei Tage mit nichts als Sex und Pizza in Leonards Zimmer verbracht hatten und Madeleine sich immerhin so weit entspannen konnte, dass sie wenigstens hin und wieder kam und schließlich aufhörte, sich dauernd darum zu kümmern, ob sie einen Orgasmus hatte oder nicht, weil ihr Hunger nach Leonard irgendwie schon durch seine Befriedigung befriedigt wurde,ja nachdem sie sich erlaubt hatte, nackt auf seiner ekligen Couch zu sitzen und im Bewusstsein, dass er auf ihren (unvollkommenen) Hintern starrte, quer durchs Zimmer in sein Bad zu gehen, seinen gammeligen Kühlschrank nach Essen zu durchwühlen, die aus seiner Schreibmaschine ragende brillante halbe Seite einer philosophischen Hausarbeit zu lesen und ihn mit Tauruskräften in die

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