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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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lieben. Das Werk ist sein Werk und soll es bleiben, wir alle sind nur seine Werkzeuge, die ihr Weniges tun und vergehen.» Ich achte diesen ihren Wunsch wie jeden anderen. Es geht hier besonders um die Arbeit, die sie und ihre Missionarinnen der Nächstenliebe, ein Orden, den sie gegründet hat, zusammen tun, und um das Leben, das sie im Dienst Christi in Kalkutta und anderswo zusammen leben. Ihre besondere Hingabe gehört den Ärmsten der Armen; wahrlich ein weites Feld.
     
    Ein paar Jahre zuvor hätte Mitchell das Buch wieder hingelegt oder es gar nicht erst beachtet. Aber in seiner neuen Gemütsverfassung, verstärkt durch die Momente in der Kirche, blätterte er die Illustrationen durch, die wie folgt verzeichnet waren: «Eine Tafel vor dem Heim für Sterbende»; «Mutter Teresa hält ein krankes Kleinkind in den Armen»; «Eine sieche Frau umarmt Mutter Teresa»; «Einem Leprakranken werden die Fußnägel geschnitten»; «Mutter Teresa hilft einem Jungen, der zu schwach ist, allein zu essen».
    Mitchell, der damit sein Budget zum zweiten Mal am selben Morgen überschritt, kaufte das Buch und bezahlte achtundzwanzig Franc.
    In einer ruhigen Seitenstraße der Rue des Trois-Frères zog er die AmEx-Seriennummern aus seiner Geldbörse und schrieb sie hinten in
Mutter Teresa   – Etwas Schönes für Gott.
    Den ganzen Tag über kam und ging sein Hunger. Gegen Nachmittag kam er und lungerte herum. Im Vorübergehen beäugte Mitchell das Essen auf den Tellern der Leute in Straßencafés. Um kurz nach halb drei wurde ihm flau, und er leistete sich einen Milchkaffee, den er im Stehen an der Theke trank, um zwei Franc zu sparen. Den Rest des Nachmittags verbrachte er wegen des freien Eintritts im Musée Jean Moulin.
    Als Mitchell gegen Abend bei Claire ankam, öffnete Larry die Tür. Drinnen registrierte Mitchell statt einer abgeschlafften postkoitalen Atmosphäre einen Anflug von Spannung. Larry hatte eine Flasche Wein aufgemacht, den er alleine trank. Claire lag auf dem Bett und las. Sie gönnte Mitchell ein flüchtiges Lächeln, stand aber nicht auf, um ihn zu begrüßen.
    Larry fragte: «Na, hast du ein Hotel gefunden?»
    «Nein, ich habe auf der Straße geschlafen.»
    «Hast du nicht.»
    «Die Hotels waren alle voll! Ich musste mir mit so einem Kerl ein Zimmer teilen. Dasselbe Bett.»
    Diese Neuigkeit machte Larry sichtlich Spaß. «Tut mir leid, Mitchell», sagte er.
    «Du bist mit einem Kerl ins Bett gegangen?», tönte Claire vom Bett aus. «In deiner ersten Pariser Nacht?»
    «Gay Paree»
, sagte Larry, indem er Mitchell ein Glas einschenkte.
    Ein paar Minuten später ging Claire ins Bad, um sich fürs Essengehen herzurichten. Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, beugte Mitchell sich zu Larry: «Okay, wir haben Paris gesehen. Jetzt kann’s losgehen.»
    «Sehr witzig, Mitchell.»
    «Du hast gesagt, wir hätten eine Bleibe.»
    «Haben wir doch auch.»
    «
Du
schon.»
    Larry senkte die Stimme: «Ich werde Claire sechs Monate nicht sehen, vielleicht noch länger. Was soll ich machen? Eine Nacht hierbleiben und dann abhauen?»
    «Gute Idee.»
    Larry blickte zu Mitchell auf. «Du siehst wirklich blass aus», sagte er.
    «Das liegt daran, dass ich den ganzen Tag nichts gegessen habe. Und weißt du auch, warum nicht? Weil ich vierzig Dollar für ein Zimmer blechen musste!»
    «Ich werde es wiedergutmachen.»
    «So war das nicht geplant», sagte Mitchell.
    «Geplant war, keine Pläne zu machen.»
    «Außer dass du schon einen hast: Sex.»
    «Hättest du den etwa nicht?»
    «Doch, natürlich.»
    «Na bitte.»
    Die beiden Freunde sahen sich an; keiner gab nach.
    «Drei Tage, und wir sind hier weg», sagte Mitchell.
    Claire kam mit einer Bürste aus dem Bad. Sie beugte sich vornüber, ließ ihre langen Locken fast bis auf den Boden hinunterwallen. Dann bearbeitete sie ihre Mähne volle dreißig Sekunden lang mit Bürstenstrichen abwärts, bevor sie zurückschnellte und ihr Haar, weich und aufgebauscht, nach hinten warf.
    Sie fragte, wo Larry und Mitchell essen wollten.
    Larry zog gerade seine Unisex-Tennisschuhe an. «Wie wär’s mit Couscous?», sagte er. «Mitchell, hast du schon mal Couscous gegessen?»
    «Nein.»
    «Oh, Couscous, das
musst
du essen.»
    Claire machte ein saures Gesicht. «Immer dasselbe», sagte sie, «jeder, der nach Paris kommt, geht ins Quartier Latin, Couscous essen. Couscous im Quartier Latin ist so was von abgedroschen!»
    «Willst du woandershin?», sagte Larry.
    «Nein», sagte

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