Die Liebeslist
„Für Sturheit und Uneinsichtigkeit? Wenn sie meint, sie kann mich auf diese Weise umstimmen, hat sie sich aber getäuscht!“
Der Regen prasselte immer heftiger.
„Was soll das werden, Rosamund?“ Frierend kauerte Petronilla unter den Decken, begreiflicherweise missmutig, was sonst nicht ihrer Art entsprach. „Wir holen uns hier noch den Tod! Ich kriege ja schon Schüttelfrost! Die Feuchtigkeit kriecht mir bis in die Knochen. Ich will nicht hier im Schlamm zugrunde gehen!“ Vor lauter Unglück stahl sich ein Kiekser in ihre Stimme. „Wäre ich doch bloß nach Lower Broadheath gefahren!“
„Das wirst du noch!“ Rosamund legte der Mutter den Arm um die Schultern. „Wir sterben schon nicht! Das würde kein Ritter zulassen, nicht einmal Fitz Osbern. Nur noch ein wenig durchhalten.“ Sie musste auch Edith, die nun in Schluchzen ausbrach, die Hand tätscheln.
„Bist du sicher, dass er ein Ehrenmann ist?“, schniefte Petronilla. „Ich habe da meine Zweifel. Hugh de Mortimer vielleicht, aber dieser Fitz Osbern?“
„Möglicherweise ist er keiner, aber de Mortimer wird ihn schon überreden. Der wird es nicht dulden, uns länger hier draußen leiden zu lassen, und sei es auch nur, um dir diese Unannehmlichkeiten zu ersparen. Mir scheint, er ist recht angetan von dir.“
Lady Petronilla konnte nur in den feuchten Mantelkragen prusten.
„Ich gebe nicht klein bei“, fuhr ihre Tochter fort. „Noch nicht. Nur Mut! Wir können eine Menge gewinnen. Ich verspreche dir auch, dass dir nichts geschehen wird.“
Rosamund legte ihrer Mutter noch eine Decke um. Mit einem unguten Gefühl dämmerte ihr, dass sie die Gesundheit ihrer Mutter in der Tat aufs Spiel setzte, hier in dem kalten, nassen Gras, bei strömendem Regen. Welche Gewähr hatte sie schon, dass dieser ungehobelte Banause tatsächlich ein Einsehen hatte? Keine. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie konnte sich einen Rückzieher ebenso wenig leisten wie er. Er hatte sie schon einmal abgewiesen und konnte es ohne Weiteres wieder. Ja, er erinnerte sich nicht einmal an sie! Ihr Stolz hielt sie aufrecht und wärmte sie wie die Wut, die in ihr tobte.
Unablässig fiel der Regen auf die durchweichten Decken.
„Sitzt sie etwa immer noch da draußen?“
„Allerdings. Ich werde noch verrückt.“
„Ger, du musst handeln! Das Ganze ist weder angemessen noch ehrenhaft.“
Gervase Fitz Osbern schnaubte zwar verächtlich, doch aus seiner Besorgnis war inzwischen ein ausgeprägt ungutes Gefühl geworden. „Wenn doch die Tochter so umgänglich wäre wie die Mutter! Nun, sei es drum. Ich kann sie nicht da draußen erfrieren lassen. Ich muss noch mal versuchen mit ihr zu reden. Ich schicke Byton hin, der soll sie da herausholen. Mögen sie meinetwegen auf besseres Reisewetter warten. Damit hat es sich aber auch. Hier bleiben können sie nicht.“
Als sie den näher kommenden Hufschlag vernahm, hob Rosamund die Decke an und lugte unter dem Rand hervor. Tatsächlich! Es war Byton, der da sein Pferd zügelte.
„Und?“ Sie witterte schon den Sieg, ließ sich allerdings nichts anmerken.
De Byton wischte sich mit dem Ärmel den Regen aus dem Gesicht. „Der Burgherr lässt Euch sagen, Ihr sollt in die Burg zurückkehren, Lady.“
„Sieh an – der Burgherr!“ Zwar rann ihr das Wasser in Strömen an der Kapuze herunter, aber ein Lächeln konnte sie sich nicht verkneifen. „Ihr habt wohl vergessen, dass Ihr eigentlich in Diensten derer de Longspey steht, oder? Also: so nicht! Bestellt Eurem neuen Herrn und Meister, dass ich diese Einladung von seinen eigenen Lippen hören will. Und dass ich bleiben darf, solange ich möchte. Dass ich mich nicht gegen meinen Willen zum Abreisen drängen lasse.“ Sie überlegte einen Moment. „Und dass man mir die Kemenate und das Privatgemach des Burgherrn zur Verfügung stellt. Er muss herkommen und es mir selbst versprechen. Verstanden?“
Zur Antwort erhielt sie ein mürrisches Grunzen. De Byton wendete seinen Gaul und trabte zurück.
„Wie bitte? Wie war das?“
De Byton wiederholte den Dialog genüsslich und mit einer tief empfundenen Abneigung gegen die Weibsleute an sich, einer Haltung, die Fitz Osbern ihm in diesem Moment voll und ganz nachfühlen konnte. „Sie lässt nicht mit sich reden, Mylord. Sie will es von Euch persönlich hören.“
„Dieser Teufelsbraten!“ Die eisige Wut, die ihn durchzuckte, ließ Böses ahnen. Auf die Brüstung gestützt, betrachtete er sinnend de Mortimer, denn ihm kam da ein
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