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Die Liebeslist

Die Liebeslist

Titel: Die Liebeslist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE O'BRIEN
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eingehend – wünschte er sich, er wäre mitgeritten. Das helle, kalte Wetter hatte Rosamunds Wangen Farbe verliehen. Als sie die Stute in leichten Galopp übergehen ließ, wippten ihre Zöpfe im Wind wie lebendige goldene Flammen, leuchtend wie herbstliches Buchenlaub vor einem blauen Himmel. Es war der erste sonnige Tag seit Wochen; kein Wölken weit und breit. Wer wäre da nicht gern ausgeritten nach dieser trüben Zeit? Aus lauter Lust und Laune? Rosamund machte sich gut, saß elegant im Sattel und hatte die quicklebendige Stute jederzeit im Griff. Ja, welcher Mann wäre da nicht gern neben ihr galoppiert? Er hätte gern erlebt, wie sie lachte, wie ihre Augen vor lauter Begeisterung strahlten.
    „Dachte ich mir, dass ich dich hier finde“, bemerkte Hugh, der sich lässig neben ihm gegen die Brüstung lehnte und die Aussicht genoss.
    Gervase brummte nur. „Wenn ich ihr den Ausflug vorgeschlagen hätte, wäre sie mir ins Gesicht gesprungen. Schon von der Eskorte war sie nicht begeistert. Von meiner Gegenwart gar nicht zu reden.“
    „Adrettes Persönchen.“
    „Eine Schönheit“, murmelte er, ohne sich seiner Wortwahl bewusst zu sein. Hughs zweifelnden Blick bemerkte er ebenfalls nicht. Sie bot nämlich wahrhaftig einen farbenprächtigen Anblick, ganz wie ein Bildnis in einem Buntglasfenster. Der tiefblaue Mantel. Die muntere Fuchsstute. Sie selbst vor Lebensfreude sprühend, voll von ansteckendem Lachen und Begeisterung. So, wie er sie am Tage zuvor gesehen hatte. Er zog die Stirn kraus, als wehre er sich gegen die aufkommenden Erinnerungen, die anscheinend nicht die angenehmsten waren.
    Ganz zufällig war er auf Rosamund gestoßen, drüben an der Ostseite des Palas, in einem über die Jahre verwilderten, mittlerweile eingezäunten Eckchen, welches erneut als Burggarten hergerichtet werden sollte. Jetzt, so mitten im Winter, wirkte der Winkel mit seinen abgestorbenen Stängeln und verrottenden Laubhaufen ganz besonders verlassen. Vermutlich um die frische Luft zu genießen, hatte Rosamund sich offenbar vorgenommen, den Garten ein wenig in Schuss zu bringen. Die Szene hatte in Gervase eine von jenen unerfreulichen Erinnerungen ausgelöst, eine zumal, die besonders auf ihm lastete, weil sie mit Gewissensbissen verbunden war.
    In den ersten Tagen ihres gemeinsamen Lebens hatte sich Matilda häufig in jenem Garteneckchen aufgehalten. Als neuer Herrin von Clifford bereitete es ihr großes Vergnügen, so wusste er noch, dort ihrer Liebe zu Pflanzen und Blumen zu frönen, ohne dass ihr die Mutter dauernd dazwischenredete. Es war zwar lange her, doch er entsann sich dieser Bilder aus der Vergangenheit, als wäre seither kaum Zeit verstrichen.
    Und plötzlich hatte sie dagestanden, die bezaubernde Rosamund, mitten in diesem kahlen, unwirtlichen Fleckchen. Seine Erinnerungen waren zerstoben; er hatte nicht mehr gewusst, was er denken sollte. Geschickt die Sichel führend, war sie dabei gewesen, das welke Laub zu entfernen, abgestorbene Stängel zu kappen, die Beete von Abfall zu säubern – an sich ein zauberhafter Anblick, bis plötzlich lautes Gelächter von der Küche herüberschallte. Ein paar junge Küchenmägde bemühten sich dort gerade unbeholfen, die Hühner in den Hühnerstall zurückzuscheuchen. Die Hennen aber waren schlau und rissen immer wieder aus, was Rosamund nun ebenfalls zu einem Heiterkeitsausbruch gereizt hatte.
    Waren in Gervase noch letzte zärtliche Regungen für seine Matilda lebendig gewesen, so waren sie jetzt endgültig dahin, hinweggefegt von einem Begehren, das seinen Körper wie Feuer erfasste. Er begehrte Rosamund mit einem unbändigen Sehnen, so sehr erfüllte sie all sein Denken und Fühlen. Er wusste ja noch, wie weich jene weiblichen Rundungen waren, hätte sie gern noch eingehender erforscht …
    Kopfschüttelnd riss er sich aus seinen Grübeleien und blickte dem immer kleiner werdenden Reittrupp nach. Es lohnte sich nicht, Vergangenem nachzutrauern. Matilda, das war vorbei und eine Rosamund de Longspey würde bald wieder aus seinem Leben verschwunden sein.
    „Na, offenbar hat sie nichts zu befürchten“, knurrte er achselzuckend, wobei er sich von der Brüstung abstieß und seinem Gefährten freundschaftlich auf die Schulter klopfte. „Schluss mit der Landschaftsbetrachtung. Sag mir lieber, was du von meinen Umbauplänen hältst …“
    Geschrei in der Ferne!
    Blitzartig, dass seine Mähne im Winde flog, wirbelte Gervase herum. Das Blut gefror ihm in den Adern. Erinnerungen,

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