Die Liebeslist
ihm hatte zukommen lassen. Eindringlich und wahrheitsgetreu hatte sie ihren Fall geschildert.
An Seine Königliche Hoheit, Henry II. von England
Eure Gnaden,
als Eignerin des mir per Erbschaft übertragenen Grenzkas tells Clifford Castle ersuche ich Euch unterwürfig um Gerech tigkeit. Als Eigentumsnachweis besitze ich die von Earl Wil liam of Salisbury besiegelte Urkunde. Mein Anspruch wird mir jedoch streitig gemacht durch Lord Fitz Osbern, welcher gegenwärtig die Burg besetzt hält. Deshalb ersuche ich Eure Hoheit um eine Entscheidung in dieser Angelegenheit. Ich halte mich zurzeit mit meiner Frau Mutter, der verwitweten Countess zu Salisbury, auf Clifford auf, wo ich indes Lord Fitz Osbern unterstehe. Dieser weist meinen Rechtsanspruch kategorisch zurück.
Ich bitte Eure Hoheit untertänig, den Fall wohlwollend zu prüfen und in absehbarer Zeit zu entscheiden.
Eure getreue und gehorsame Untertanin
Rosamund de Longspey
Das Ergebnis ihrer Bitte um Gerechtigkeit hätte besser nicht ausfallen können. Und das auch noch so schnell! Sie strich das Pergament glatt. Sir Jaspers Worten war doch wohl zu entnehmen, dass der König zu ihren Gunsten entscheiden werde. Woher dann diese böse Vorahnung, die sie jetzt beschlich? Die sich wie Ballast auf ihre Brust legte und jegliches Triumphgefühl im Keim erstickte?
Fitz Osbern hatte ihr die Ehe angetragen!
Das war vermutlich der Grund für ihre Beklommenheit. Sein Antrag entsprach nämlich überhaupt nicht dem, was sie von ihm erwartete. Hatte sie eine solche Möglichkeit etwa überhaupt irgendwann einmal in Betracht gezogen? Sie entsann sich an jenen Augenblick purer Wonne, als sie seine Lippen brennend heiß auf ihrer Handfläche spürte, als ihr das Herz so bis zum Hals schlug, dass ihr die Luft wegblieb. Natürlich nur so lange, bis ihr Verstand wieder eingesetzt hatte.
Eine Ehe mit ihm war ausgeschlossen. Auch wenn sie ihre Meinung über diesen Mann, der immer so ungehobelt tat, einmal mehr hatte revidieren müssen. Gleichgültig, wie ungebildet er sich sonst präsentierte: Des Lesens war er jedenfalls kundig; das hatte sie festgestellt, als er den Inhalt der königlichen Botschaft überflog und auf Anhieb begriff. Da war Sir Jasper sogar noch einigermaßen glimpflich davongekommen.
Sie straffte die Schultern. Es ließ sich wohl nicht umgehen, dass sie einem über die Maßen verärgerten Markgrafen einiges erklären musste.
Als Rosamund den Burgsaal betrat, wartete Gervase schon auf sie. „Ihr habt Euch auf niederträchtigste Art und Weise beim König über mich beschwert!“, polterte er sofort los. „In den Rücken gefallen seid Ihr mir!“
Grimmig lief er am Podest auf und ab. Als Rosamund nicht gleich antwortete, blieb er stehen, die Beine gespreizt, die Fäuste in die Hüften gestemmt, die Miene zornig.
Ihre Befürchtungen, er würde ihr Hinterhältigkeit vorwerfen, bewahrheiteten sich. Bemüht ruhig durchquerte sie den großen Raum, blieb vor ihm stehen und schaute in seine grauen Augen.
„Hintergangen habt Ihr mich!“
„Habe ich nicht!“, entgegnete sie und hielt seinem durchdringenden Blick stand. „Ihr wolltet mich ja zwingen, die Burg zu verlassen, wenn Ihr nach Monmouth weiterzieht.“
„Wenn? Falls, wohlgemerkt! Nur falls es hier zu gefährlich wird!“
„Ihr habt gesagt, Ihr zieht hier ab und nehmt mich mit. Wollt mich zurück nach Salisbury schicken. Mir Geleit bis Hereford garantieren und dann …“
„Und ich Narr mache Euch auch noch einen Heiratsantrag!“ Seine Stimme sank zu einem fassungslosen Flüstern.
„Aber Ihr habt doch von Abzug geredet und behauptet, Ihr würdet mich nicht allein hier lassen! Ich müsste Euch begleiten!“
„Ich sagte … Ich sagte … Ja, seid Ihr denn noch bei Trost, Weib? Wie kommt Ihr dazu, mir den Entscheid des Königs aufzuhalsen? Und da erwartet Ihr von mir, dass ich meine Zelte abbreche und hier das Feld räume?“
„Auf königliche Anordnung, jawohl!“, unterstrich sie. „Zumindest bis ein endgültiger Beschluss ergeht.“
Angewidert breitete er die Arme weit aus. „Und was ist so schlimm daran, wenn Ihr nach Salisbury zurückkehrt? Das mit de Morgan, gut, das verstehe ich, aber Eure Familie, die wird doch sicher Verständnis haben für Eure Vorbehalte!“
Rosamund fing regelrecht an zu zittern, so sehr setzte ihr diese Auseinandersetzung zu. „Ihr täuscht Euch! Und ich traue mich nicht zurück! Das Wagnis ist zu groß. Also: Sollte ich Euch tatsächlich hintergangen haben,
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