Die Liebeslist
mir das ins Gesicht zu sagen?“ Aufgebracht machte er einen großen Schritt auf den Gesandten zu und zog ihn ruppig wieder zu sich heran. „Euer Erlass ist für mich keinen Pfifferling wert! Und das Siegel schon gar nicht!“
„Mylord …“, krächzte Sir Jasper.
Gervase riss ihm das Schriftstück aus der Hand, brach das Siegel auf und überflog hastig den Inhalt, während er den Mann noch immer gepackt hielt. „Hält der König so wenig von mir, dass er mich mit ein paar hingeschmierten Zeilen aus der Burg weist? Nein, bei Gott! Eine Frau kann diese Feste niemals gegen walisische Überfälle sichern. Ich schon! Bestellt Eurem königlichen Herrn und Gebieter …“
„Nicht, Mylord!“
Eine Hand legte sich um seinen Unterarm. Eine kühle Stimme drang wie aus der Ferne an sein Ohr. Da er nicht gleich reagierte, wurde der Griff noch fester, und als Gervase sich zur Seite wandte und in leuchtend grüne Augen blickte, da wurde sein Verdacht zur Gewissheit: Sie wusste Bescheid. Natürlich! Sie steckte dahinter. Wahrscheinlich war sie nur deshalb oben auf dem Wehrgang gewesen, weil sie auf die Ankunft der königlichen Abordnung gewartet hatte. Dass sie zu solcher Niedertracht fähig war! Und das, obgleich sie ihm versprochen hatte, sich in Zukunft zu fügen! Gut, dass er ihr nicht über den Weg getraut hatte! Wären da nur nicht die schönen Augen gewesen … auch wenn sie so warnend blitzten wie jetzt.
„Nicht, Mylord!“, wiederholte sie. „Lasst ihn los. Das führt zu nichts. Ich werde die Angelegenheit klären.“
Schlagartig ernüchtert, gab Gervase den Gesandten des Königs frei, der taumelnd auf die Füße kam und seine Kleidung ordnete. Hugh, der bis jetzt wie vom Donner gerührt zugesehen hatte, klaubte geistesgegenwärtig den juwelengeschmückten Hut des Mannes aus dem Dreck. Zwar hatte er seinen Gefährten noch nie so außer sich erlebt wie eben gerade, aber auch noch nie so unterhaltsam. Er musste sich das Lachen verbeißen. Vermutlich tat es seinem selbstherrlichen Freund einmal ganz gut, von dieser klugen Frau die Grenzen aufgezeigt zu bekommen. Sicher, so sah Gervase das natürlich nicht. Jedenfalls noch nicht! Hugh säuberte die Kopfbedeckung notdürftig und reichte sie Sir Jasper.
Nun trat Rosamund vor. „Sir, richtet bitte Seiner Hoheit König Henry meinen Dank für seinen Rechtsspruch aus.“ Die Hand nach wie vor auf Gervases Unterarm, straffte sie sich zu ihrer vollen Größe und tat so, als sei nichts geschehen. „Bestellt ihm, Rosamund de Longspey bedanke sich herzlich und sorge dafür, dass seinem Wunsche entsprechend gehandelt wird. Sagt ihm auch, er sei hier stets in meinem Heim willkommen.“
Gervase konnte es nicht länger ertragen. „Und von mir könnt ihr ihm ausrichten, solange der Name Fitz Osbern besteht, wird die Burg von einem Fitz Osbern gehalten! Ich habe nicht die geringste Absicht, ihn in Ludlow aufzusuchen, nur um mir dort eine gegen mich gerichtete Entscheidung abzuholen. Sagt ihm das!“
Mit diesen Worten wandte er sich ab und entfernte sich über den Burghof, während er sich darum bemühte, die Fassung zurückzugewinnen. Gewiss, Jähzorn galt als eine Untugend, jedoch nicht in diesem Fall. Wenngleich er inzwischen gelernt hatte, sich zu beherrschen, war es angesichts einer solchen Hinterhältigkeit unmöglich, die Ruhe zu bewahren. Auf sein Verhalten konnte er zwar nicht stolz sein, doch eine solche Brüskierung durfte man sich beim besten Willen nicht gefallen lassen.
Und alles nur wegen dieses Satansbratens namens Rosamund de Longspey!
Einigermaßen versöhnt durch das Entgegenkommen der Lady Rosamund, machte sich Sir Jasper auf den Rückritt nach Ludlow. Rosamund hob derweilen das zerknüllte Pergament auf, das mit zerbrochenem Siegel auf dem schlammigen Boden des Burghofes lag. Jetzt, da sie erreicht hatte, was sie wollte – woher rührte da dieses unbehagliche Gefühl? Als habe sie Fitz Osbern in einem feigen Anschlag hinterrücks den Dolch zwischen die Schultern gerammt!
Was sie getan hatte, war ein Gebot der Vernunft. Wer hätte ihren Anspruch gegen Fitz Osbern besser unterstützen können als der König selbst? Ein junger Mann, der in dem Ruf stand, für Gesetz und Ordnung einzutreten und jeden Vasallen, welcher so töricht war, sich ihm zu widersetzen, unnachsichtig in seine Schranken zu weisen. Es war die einfachste Lösung, zumal Henry sich momentan sowieso in Ludlow aufhielt. Rosamund erinnerte sich noch an den Wortlaut des Schreibens, das sie
Weitere Kostenlose Bücher