Die Liebeslist
begriff sie nunmehr so einiges, sah seinen Zorn, seinen Starrsinn in einem anderen Licht – in dem Bestreben nämlich, die Familienehre wiederherzustellen und den Tot seiner Gemahlin zu rächen. Und ja, natürlich! Der Überfall! Als er ihr zu Hilfe kam! Da war er fuchsteufelswild gewesen! Hatte er gefürchtet, sie könne dasselbe Schicksal erleiden wie sein Weib? Sie hatte ihm seinen Jähzorn verübelt, seine Weigerung, ihre Entschuldigung anzunehmen. Ja, wenn sie damals schon alles gewusst hätte! Nun, jetzt wusste sie es, und es war nicht recht, dass der König ihn für sämtliches Unglück verantwortlich machen wollte. Schließlich trug sie ja selbst auch ein gerüttelt Maß Schuld an dem Konflikt zwischen ihnen.
Solch eine ungerechte, nachteilige Darstellung seines Wesens, die konnte und würde sie auf gar keinen Fall gutheißen!
„Nein, Hoheit, das ist so nicht ganz richtig!“ Aufgewühlt unterbrach Rosamund den König, der sie verwundert anblickte. „An dieser Stelle muss ich für Lord of Monmouth eine Lanze brechen. In einer Notlage habe ich mich nie befunden. Weder ist mir ein Leid geschehen, noch wurde ich ungebührlich behandelt.“ Sie schluckte, als sie die Wahrheit zugeben musste, traute sich nicht, Gervase anzusehen, als sie diese Kehrtwendung vollführte. „Es stimmt zwar, Lord of Monmouth weigerte sich, die Burg zu räumen, doch er gestattete mir, zu bleiben und den Haushalt nach eigenen Wünschen zu gestalten. Dabei verhielt er sich stets respektvoll.“
„Ich dachte, Ihr fühltet Euch drangsaliert!“, wandte Henry erstaunt ein. „Auf unakzeptable Weise unterdrückt! Wenn dem nicht so ist – wieso saht Ihr Euch veranlasst, Euch mit einer Bittschrift um Gerechtigkeit an mich zu wenden? Wozu verschwende ich dann hier meine kostbare Zeit? Wenn es zwischen Euch und Fitz Osbern eigentlich gar keine Meinungsverschiedenheiten gibt, braucht Ihr doch meine Hilfe nicht, Lady!“
Rosamund ließ sich nicht beirren. „Lord of Monmouth hat sich mir gegenüber stets tadellos benommen. Gewiss, er hat die Burg besetzt, doch er behandelte mich höflich und war um mein Wohl bemüht. Etwas anderes zu behaupten würde meinem Gerechtigkeitssinn zuwiderlaufen.“ Sie merkte, wie der König sie prüfend musterte, und musste ein unsicheres Lachen unterdrücken. Fitz Osbern war genauso verblüfft wie Seine Hoheit, dass sie so plötzlich für ihn Partei ergriff, doch das spielte nun keine Rolle. „Ich kann auf keinen Fall sagen, dass ich unter ihm gelitten habe. Vielleicht bin ich übers Ziel hinausgeschossen. Ich wusste ja nicht, welche Verbindung zuvor zwischen Lord Monmouth und Clifford Castle bestand. Von Euch, Hoheit, erbitte ich mir lediglich eine Anerkennung meiner Rechte.“
„Hm.“ Der König wirkte nicht überzeugt. Abermals sah sich die Königin veranlasst, ihm etwas ins Ohr zu flüstern, woraufhin er Gervase stirnrunzelnd einen Blick zuwarf. „So sei es. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Lady sich vor den Lord of Monmouth stellt. Nichtsdestoweniger kann ich einen Angriff auf eine wehrlose Frauensperson nicht gutheißen. Das war ein schlechter Zug. Auch die Folgen behagen mir nicht. Wer einer Dame den Landbesitz stiehlt, beraubt sie ihrer Mitgift. Das wäre nach meiner Auffassung kein ritterliches Verhalten. Aus diesem Grunde fällt mein Urteil gegen Euch aus, Fitz Osbern. Wie ich es sehe, haltet Ihr dieses Kastell ohne triftigen Grund und ohne Berechtigung besetzt. Daher zahlt Ihr der Lady eine angemessene Entschädigung für das Unrecht, das ihr durch Euch widerfahren ist. Morgen bei Tagesanbruch verlasst Ihr mitsamt Euren Leuten die Burg. Anderenfalls werde ich weitere Maßnahmen ergreifen.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“
Gervase fügte sich ins Unvermeidliche. „Ihr habt Eure Wünsche mehr als verständlich ausgedrückt, Hoheit. Vielleicht muss auch ich einräumen, dass ich die Lady nicht ganz angemessen behandelt habe.“
„Ich danke Euch, Hoheit.“ Fassungslos angesichts Gervases Geständnis, atmete Rosamund erleichtert auf. Ihr Bedauern über all das, was vorgefallen war, blieb allerdings gleichwohl.
„Vortrefflich. Das wäre vollbracht. Noch einen Schluck Wein, Verehrteste, dann muss ich aufbrechen.“ Strahlend blickte der König über die ganze Tafel hinüber zu Lord Hugh, ohne den betreten dreinschauenden Gervase zu beachten. „Reitet Ihr mit nach Hereford, Hugh? Es spart Zeit, denn so könnten wir unterwegs die Sicherheitslage in den
Weitere Kostenlose Bücher