Die Liebeslist
Schriftstücke und wandte sich an Rosamund. „Die Feste Clifford ist Teil Eurer von Earl William erhaltenen Mitgift, dazu noch Wigmore Castle und Ewyas Harold, die sich ebenfalls in den walisischen Marken befinden. Sie bilden die einzige Vorsorge für Euer Wohlergehen und dienen als Anreiz für einen zukünftigen Heiratskandidaten. Außerdem wünscht Ihr hier zu wohnen.“
„Jawohl, Hoheit.“ Rosamund war angenehm überrascht. Der König hatte ihre Situation sehr gut beschrieben.
„Das ist nicht zu beanstanden.“ Er blickte hinüber zu seiner Linken. „Was habt Ihr dagegen einzuwenden, Fitz Osbern?“
Die Antwort des Angesprochenen ließ nicht lange auf sich warten und war, wie Rosamund zugeben musste, beeindruckend präzise. „Ganz einfach: Die drei genannten Anwesen gehörten der Familie de Longspey gar nicht und konnten demzufolge auch nicht vererbt oder verschenkt werden. Sie wurden meinem Vater gestohlen, als er in Anjou kämpfte. In Euren Diensten, Hoheit, wie ich anfügen möchte. Alle drei Burganlagen sind Teil des ursprünglichen Lehens, welches meinen Ahnen von Wilhelm dem Eroberer nach der Schlacht von Hastings übertragen wurde. De Longspey hatte keinen Anspruch darauf. Hinzu kommt, dass Clifford meinem Vater besonders am Herzen lag. Ich selbst habe hier nur kurze Zeit verbracht. Nach geltender Rechtsauffassung gehören die drei Kastelle mir. Diebstahl taugt nicht als Grundlage für Rechtssprechung. Ich verlange Clifford zurück. Im Übrigen …“ Er verstummte und zog die Stirn kraus, als gehe ihm plötzlich etwas durch den Kopf.
„Ja?“, fragte Henry gespannt.
„Ach, nicht der Rede wert, Hoheit. Für mich ist der Fall eindeutig.“
„Hm.“ Der König schob die Dokumente zu einem akkuraten Stapel zusammen, wobei sich eine steile Falte auf seiner Stirn bildete. Was mochte er überlegen? Nach wie vor hatte Rosamund nicht die geringste Ahnung, für wen er sich entscheiden würde.
Auf einen Ellbogen gelehnt, wandte er sich noch einmal an Gervase. „Mir fällt da, glaube ich, gerade etwas ein. In dem Jahr, bevor ich den Thron bestieg … Entsinne ich mich richtig, Fitz Osbern? In dem Kampf bei der Einnahme von Clifford Castle – kam da nicht auch Eure junge Gemahlin ums Leben?“
„Das ist richtig.“
Wie bitte? Erstaunt starrte Rosamund hinüber zu dem Mann, der ihr Gegner war. Das wusste sie ja gar nicht! Gewiss, dass er verheiratet gewesen und dass seine Frau inzwischen tot war, das schon. Aber mitschuldig an ihrem Tod? Wieso hatte ihr das keiner gesagt?
„Ihr habt hier gemeinsam gewohnt?“, erkundigte sich der König.
„So ist es. Einige wenige Monate nach der Eheschließung.“
„Wer trägt die Verantwortung für ihren Tod?“
Rosamund bemerkte, wie Gervase das Blut aus den Wangen wich, wie seine Miene förmlich erstarrte, zu Stein wurde, auf grausame Weise kalt und finster. Wachsbleich war er – wie die Kerzen auf der Tafel.
„Das tut hier nichts zur Sache, Hoheit.“
„Mag sein. Erzählt es trotzdem – mir zuliebe.“
Der Lord of Monmouth holte tief Luft, als wappne er sich für eine Aufgabe, die er zutiefst verabscheute. „Nun, meinetwegen. Matilda, meine Gemahlin, versuchte dem Angriff auf die Burg zu entfliehen. Es hieß, eine Belagerung stehe unmittelbar bevor, und deshalb machte sie sich auf nach Monmouth zu meiner Mutter.“
„Und wer gab diesen Angriffsbefehl?“
„Der Earl of Salisbury.“
„Wusste der Earl, dass Eure Frau Gemahlin allein hier war?“
Gervase presste die Lippen aufeinander. „Das nehme ich an. Dabei war ihr Tod völlig überflüssig. Matilda geriet in einen Hinterhalt von Salisburys Truppen. Ihre Eskorte war hoffnungslos unterlegen und konnte sie nicht schützen. Alle wurden bis auf den letzten Mann niedergemacht, denn so ersparte man sich Umstände mit Gefangenen. Auch meine Frau wurde nicht verschont.“
Niedergemacht!
So knapp, so kalt geschildert – der tragische Tod einer jungen Frau! Angesichts eines solch grauenhaften Endes überlief Rosamund ein Schauder. Und er hatte hier mit Matilda gelebt! Hatte er sie geliebt? All die Jahre um sie getrauert? Hatte er deswegen nicht wieder geheiratet? Und die arme Matilda – einfach umgebracht, für nichts und wieder nichts! Von Longspey-Männern! Kein Wunder, dass er da keine Frau aus dem Hause Longspey als Burgherrin haben wollte! An dem Ort, an dem er seine Gemahlin verlor! Was war wohl in ihm vorgegangen, als er mit ansehen musste, wie sie, Rosamund, sich im Reich seiner toten
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