Die Liebeslotterie
mit einer feuchten Wohnung in der Kanalstraße zufriedengeben, solange ich bei ihr bin. Das hat sie gesagt. Sie liebt mich, und ich liebe sie. Ich liebe Agathe Stopak.»
Tibo sagte es wieder, als er einige Minuten später das Haus verließ. «Ich liebe dich, Agathe. Agathe, ich liebe dich.» Er probierte den Klang, die Neuheit der Worte in seinem Mund, bis er, am Ende des Gartenpfades angekommen und gerade dabei, das schleifende Gartentor aufzuziehen, den Blick von den rutschigen Kacheln hob und einen gesegneten Himmel entdeckte – leuchtend weiß und perlmuttrosa im Osten, taubengrau und rattenschwarz hinter sich im Westen. «Biomineral», murmelte Tibo, wandte sich nach links und lief bergauf zur Haltestelle.
Oben angekommen stellte Tibo erfreut fest, dass die Arbeiter im Tramdepot die Nachtschicht nützlicherweise damit verbracht hatten, Schneepflüge vor die Bahnen zu montieren. Der gefrorene Schnee türmte sich mitten auf den Straßen zu gerölligen Haufen, aber die Gleise waren hier und überall in Dot geräumt, sodass die Trambahnen zügig dahinglitten und niemand zu spät zur Arbeit kam.
Tibo setzte sich wieder aufs Oberdeck, so wie auf dem Rückweg am Vorabend, nur dass er diesmal hochzufrieden war und nicht am Boden zerstört. Die eisigen Inselwinde machten Tibo nichts aus, denn er trug einen Schal und hatte seinen Mantelkragen hochgeklappt. Lächelnd schaute er von der Tram hinunter, die durch Dot schaukelte, durch das helle, reine, schneeweiß glitzernde Dot, Heimatstadt von AgatheStopak. Tibo nickte hinunter wie ein Maharadscha von seinem stattlichen, prächtig geschmückten Elefanten.
«Howdah», murmelte er.
An diesem Morgen, es war lange nicht vorgekommen, waren Mamma Cesare und die Kellner im Goldenen Engel überrascht, wenn nicht gar ein bisschen enttäuscht, zu sehen, dass Bürgermeister Krovic an ihrer Tür vorbeimarschierte, ohne hereinzukommen und den gewohnten Wiener Feigenkaffee zu bestellen. Stattdessen lief Tibo noch ein Stückchen weiter und wechselte dann die Straßenseite, um den Blumenladen von Rikard Margolis aufzusuchen. Rikard führte das Geschäft, seit seine Mutter vor dreißig Jahren unglücklicherweise unter einer Lawine aus Tulpenzwiebeln begraben worden war. Die Hafenarbeiter von Dot erzählen sich bis heute davon. Im Austausch für jede einzelne Blume im Laden – außer jenen, die an diesem Tag für Beerdigungen dringend gebraucht wurden – schrieb Tibo einen unglaublich hohen Scheck aus und gab genaue Anweisungen, was die Körbe und Sträuße und Gestecke anging, die schnellstmöglich ins Bürgermeisterbüro geliefert werden sollten.
Die Blumen wurden von drei flinken Floristinnen und Herrn Margolis persönlich in einer Prozession durch die verschneite Schlossstraße getragen. Sie trotteten über die Weiße Brücke wie Milchmädchen, in jeder Hand einen Eimer, und jeder Eimer war zum Bersten voll mit Blumen. Nur die beiden letzten Gänge legte Margolis allein zurück; zitternd und hemdsärmelig betrat er das Rathaus, denn seinen Mantel hatte er vorsichtig um die seltenen Orchideenstämmchen gelegt. «Sie sind sehr empfindlich», erklärte er und legte seine Hände an die wärmende Kaffeetasse, die der Bürgermeister ihm angeboten hatte.
Herr Margolis schickte seine drei Floristinnen zurück in den Laden, um einen Trauerkranz für den Milchmann Nevic, der am Nachmittag beerdigt werden sollte, zu flechten. Dann machte er sich daran, eine Blumenlaube um Agathes Schreibtisch zu bauen, genau so, wie Bürgermeister Krovic es bestellt hatte. Kurze Zeit später war alles von Blumen bedeckt, Blumen rankten sich um die Schreibmaschine und wucherten über die Kaffeekanne, sie waren überall auf dem Boden verteilt und standen wie eine Ehrengarde, bereit, Agathe an ihren Platz zu geleiten. Und Tibo, der gute, dumme Tibo, war so aufgeregt, dass er hin und her eilte, um Herrn Margolis, der Blätter abknipste und mit dunkelgrünem Draht arbeitete, Blüten anzureichen. Tibo war so fasziniert von dem Ganzen, so überwältigt und entzückt von der Feengrotte, an deren Entstehung er beteiligt war, so gespannt, Agathes Freude beim Entdecken der Überraschung zu teilen, so erpicht darauf, ihr etwas Lebendiges zu präsentieren, dass er ihre Verspätung nicht einmal bemerkte.
Tatsächlich war Herr Margolis schon dabei, die grüne Marmortreppe hinunterzusteigen, sich mit einem erschöpften Seufzer seinen Mantel überzuwerfen und mit vier leeren Blecheimern an jeder Hand auf den Ausgang
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