Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Nicoll
Vom Netzwerk:
Vertrauen. Nein. Was rede ich da? Du bist eine Frau. Vertraue niemandem. Besonders nicht dir selbst.»
    Die Tür fiel zu, und sie standen wieder in dem dunklen Flur, der jetzt, wo das Licht ausgesperrt war, noch dunkler wirkte. «Nun kommen vier Stufen», sagte Mamma Cesare.
    Agathe hörte sie plattfüßig voranschlurfen und folgte gehorsam, eine Hand an der Wand und mit der Schuhspitze nach den Treppenstufen tastend. Dann hörte sie ein leises Klicken, das Geräusch einer Klinke und schließlich das Aufschwingen einer Tür. Mamma Cesares Hand schloss sich um Agathes Handgelenk und zog sie in einen stockfinsteren Raum. Die Tür schloss sich, das Licht ging an, Mamma Cesare sprang auf Agathe zu und drückte und herzte sie wie einen Hundewelpen. «Willkommen, willkommen! Danke fürs Kommen. Vielen Dank. Ich bin so erfreut, dich zu sehen.»
    Der Raum war merkwürdig, hatte er doch acht Wände, ohne ein gleichmäßiges Achteck zu bilden. Es musste sich einfach so ergeben haben, als die Gebäude ringsum in die Höhegezogen wurden. Die Wände waren mit altmodischer französischer Tapete bedeckt, Rosenranken mit rosa Schleifchen auf cremefarbenem Hintergrund, der inzwischen vergilbt war. «Das würde Stopak gar nicht gefallen», sagte Agathe zu sich selbst. «Schwierig, die vielen Ranken zusammenzupassen. Viel Abfall, besonders bei dieser Raumform. Zu viele Ecken.»
    Die Einrichtung war alt, aber das Zimmer war sauber und aufgeräumt. Am hinteren Ende befanden sich zwei Fenster, auch wenn Agathe sich nicht vorstellen konnte, was dahinter liegen sollte. Ganz sicher nicht die Schlossstraße. Vielleicht ein versteckter Hinterhof.
    An den Wänden hingen Bilder: jenes von mir, das mich beim Bartkämmen zeigt und das jede ehrbare Frau in Dot in Sichtweite ihres Bettes aufgehängt hat; ein anderes mit einem Fischerboot, das gerade in einem mordsmäßigen Sturm untergeht; und schließlich eines mit probenden Ballerinas (der Betrachterin wurde schnell klar, dass es sich um besonders arme und dennoch anständige Ballerinas handelte, um jenen Typ, der sich nicht mit Männern abgibt und nur für die Kunst lebt, natürlich, ohne die Gasrechnung bezahlen zu können und mithin gezwungen ist, im Dunkeln weiterzutanzen). Außerdem fand sich an derselben Wand, an der ich hing, nur ein bisschen weiter links unten, ein Bild vom heiligen Antonius. Er wirkte, da von unzähligen Teufeln an Haaren und Kleidung gerissen, ein bisschen unglücklich, schien jedoch überzeugt, sein Glück wiederzufinden, sobald er die Plagegeister einmal abgeschüttelt hätte – was ohne Frage nur eine Sache von Minuten war.
    Agathe betrachtete einen riesigen dunklen Kleiderschrank mit Spiegeltüren und überbordenden Obstschnitzereien, der fast bis an die Zimmerdecke reichte und gleich zwei Wände einnahm. Daneben ein Doppelbett mit Messinggestell undselbstgenähter Tagesdecke, die zu beiden Seiten bis auf den Boden hing, und rechts davon eine Frisierkommode mit geneigtem Spiegel, die den Zugang zu einem Wandschrank blockierte.
    Agathe sah sich endlos zwischen Kleiderschrank und Frisierkommode gespiegelt, während sie zur Begrüßung von Mamma Cesare durch den Raum gedreht wurde.
    «Ich bin so glücklich, weil du bist gekommen. Ganze Tag habe ich mich gefragt. Hier. Nimm Platz.» Mamma Cesare versetzte ihr einen leichten Schubs, und Agathe plumpste auf das quietschende Bett. «Keine Stühle!», sagte Mamma Cesare.
    Sie richtete sich zu voller Größe auf, stemmte die Hände in die Hüften, lehnte sich zurück und musterte Agathe, wie ein Bauer das Schlachtvieh in der Auktionsarena mustert. Agathe wurde nervös. Ihr fiel nichts zu sagen ein.
    «Nimm den Mantel ab», sagte Mamma Cesare. «Ich mache uns Tee.»
    «Keinen Kaffee? Sie kochen so herrlichen Kaffee!»
    «Nur bei der Arbeit. Für dich, für den Gast, mache ich Tee.»
    Mamma Cesare öffnete den Kleiderschrank. Ganz unten befand sich eine breite Schublade, die mit einem leisen Seufzen aufsprang. Mamma Cesare bückte sich und hob ein schwarzes, japanisches Tablett heraus, auf dem eine braune Porzellankanne, ein kleiner Kupferkessel mit Stövchen, eine Brennlampe, eine Schachtel Streichhölzer, zwei hauchdünne, übereinandergestapelte Teetassen auf klirrenden Untertassen, eine Untertasse mit einer Zitrone und einem Messer sowie eine aufklappbare, mit aufgemalten Flaggen und goldenen Schwertern und Speeren verzierte Blechdose standen. Inder Mitte des Tabletts thronte das Portrait eines Mannes mit mächtigem

Weitere Kostenlose Bücher