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Die Liebesluege

Titel: Die Liebesluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sissi Flegel
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Internat und - das stellte ich allerdings erst später fest - es begann eine neue Zeit für mich.

    Die Neue trug eine hässliche Brille und war schüchtern. Sehr schüchtern. Als Schulsprecher gehört es zu meinen Aufgaben, den Neuen das Einleben zu erleichtern. Als musterhafter Schulsprecher kam ich meiner Aufgabe nach, andere unterstützten mich, und als ich das Mädchen einmal in ihrem Zimmer aufsuchte, sah ich einen gelben Post-it-Zettel auf ihrem Schreibtisch. Ich las:

    If you run, you might lose
    If you don’t run, you lose.

    Na klar, dachte ich, wenn ich bei einem Wettrennen überhaupt nicht mitmache, bin ich auf jeden Fall der Loser. Muss man doch nicht extra auf den Schreibtisch kleben, oder?
    Trotzdem … ›If you don’t run, you lose‹ - das bohrte in mir, außerdem wunderte ich mich über das Mädchen. Es machte mich neugierig.«
    Elena lauschte mit wachsendem Entsetzen, wie Max die Stadien ihrer Beziehung beschrieb. Am liebsten hätte sie gerufen: »Max, das geht niemand was an!« Sie ertappte sich, dass sie wie in ihren ersten Villa-Rosa-Tagen auf ihrem Zeigefingerknöchel herumkaute. Sie hoffte, er würde das Thema wechseln, würde irgendwie die Kurve zum Lernen, zum Internat schlagen - aber es kam noch schlimmer.
    »An einem sonnigen Tag auf der Piste«, fuhr er fort, »fuhr ein schussliger, schlechter Skiläufer« (an dieser Stelle lächelte er Valerie an) »über ihre Bretter, das Mädchen stürzte, riss mich mit, wir lagen im Schnee, und wissen Sie was? Die Erschütterung, die der Sturz ausgelöst hatte, verstärkte die Strahlkraft der Sonne um ein Vielfaches; der
Schnee war plötzlich weißer, die Berge mächtiger, die Luft prickelnder.«
    Die Zuhörer schmunzelten; einige riefen: »Hört, hört!«
    Elena flehte still, er möge aufhören; sie wünschte sich, unsichtbar zu sein, sich in Luft aufzulösen, man möge ihr einen Tarnumhang zuwerfen! Die Rosianer wussten ja längst, wen Max beschrieb!
    »Das Mädchen verfügte über Zauberkräfte. Kam es morgens in den Speisesaal, schmeckte der Honig süßer, die Butter sahniger, das Müsli knuspriger. Das Mädchen verwandelte den Villa-Rosa-Kaffee -« alle Rosianer verstanden den Hinweis und kicherten »- in berauschenden Nektar, das lasche Toastbrot und unser Rührei wurden zur Götterspeise.
    Unsere Lehrer verwandelte es in Genies, den Unterricht in ein fantastisches Feuerwerk des Wissens, und die Aufgaben, die Klassenarbeiten, die Tests in harmlose Übungen.
    Ich komme nun vom Allgemeinen zum Besonderen: Ich komme zu mir«, fuhr Max fort. »Denn mir hatte das Mädchen Kräfte geschenkt, die zuvor - ich schwöre es! - nicht in mir waren, ganz abgesehen davon, dass es um mich herum einen Zauber gewoben hatte.
    Die Frage, die mich bewegte, mich ängstigte, mich nachts nicht schlafen ließ, war: Warum ausgerechnet mir?«
    »Der ist einsame Spitze«, hauchte das Mädchen neben Elena.
    Max lächelte. »Sie erinnern sich an den Post-it-Zettel? If you run, you might lose. If you don’t run, you lose .« Max breitete die Arme aus. »Ich hab’s gewagt, ich bin gerannt, ich habe sie gefragt: Warum ich? Ausgerechnet ich? Und wissen Sie was? Die Antwort stand in ihren Augen!
    Nur: Nirgendwo ist die Konkurrenz größer und allgegenwärtiger
als in einem Internat. Sie zwingt zur Entscheidung.«
    Gerade noch hatte sich Elena vor Verlegenheit in sich verkrochen und einen Tarnumhang herbeigesehnt. Jetzt hielt sie den Atem an und richtete sich stolz auf. »Ich liebe dich, Max«, flüsterte sie. »Dazu stehe ich!«
    Sie sah das Schmunzeln der älteren Umstehenden, die bewundernden und manchmal auch neidischen Blicke der Jüngeren. »Mann, der muss ja mächtig in dich verknallt sein«, flüsterte ihr ein Mädchen mit vielen blümchengeschmückten Klammern im Haar zu. »Wenn ich den Jungen höre und dich sehe, gibt’s für mich nur eins: Ich will in euer Internat.«
    »Dann komm«, flüsterte Elena zurück und hörte, wie Max fortfuhr:
    »Liebe Zuhörer!
    Eines Tages erklärte ich dem Mädchen, weshalb wir von der Zeit in Villa Rosa als der Zeit in der Warteschleife sprechen. Wir sind nämlich der Meinung, dass wir hier lernen, Sport treiben, allerlei AGs besuchen - und so weiter und so fort - aber dass das richtige, wirkliche, aufregende, fantastische, mit einem Wort: das PRALLE Leben für uns erst dann beginnt, wenn sich das Tor mit den goldenen Lanzenspitzen hinter uns schließt.
    Das Mädchen war anderer Meinung. Sie sagte es nicht, aber auch das las ich in

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