Die Liebesluege
sie wild , ich hab’s gewusst! Wie soll ich es hier aushalten, wenn ich immerzu an die Vergangenheit erinnert werde ?
Wie ein Häufchen Elend saß sie in der Dunkelheit auf ihrem Bett und hielt den Kopf in den Händen. Deshalb hörte sie auch nicht das Klopfen; sie schreckte hoch, als jemand das Licht anmachte.
»Sieh mal einer an. Da starrt eine Heimwehkranke in die Dunkelheit und wünscht sich zurück auf Mamas Schoß.« Swetlana lehnte lässig im Türrahmen.
»Raus.« Elena ging langsam auf Swetlana zu. »Raus hier.«
Beschwichtigend hob Swetlana die Hände. »Ist ja gut. Immer locker bleiben. Ich wollte nur -«
»Raus!!!«
Als Charly schließlich kam, lag Elena längst im Bett, zusammengerollt wie ein Fötus, die Decke über dem Kopf. Sie stellte sich schlafend und reagierte auch nicht, als ihre neue Freundin ihr ins Ohr wisperte: »Sag’s, wenn du mich brauchst.«
Während sich Charly auszog und dann Elenas umherliegende Kleidungsstücke vom Boden aufhob und ordentlich über einen Stuhl legte, summte sie wieder Töne ohne erkennbare Melodie. Sie legte ihre Armreifen auf den Schreibtisch, schüttelte ihren zusammengefalteten Bademantel aus, verließ das Zimmer und kam nach einer teuren Bodylotion duftend zurück, kippte die Fenster, zog die Vorhänge vor, las noch ein wenig und löschte dann das Licht.
Der Sturm heulte um Villa Rosa, peitschte den Schnee gegen die Scheiben, legte dicke weiße Decken auf Simse und Mauervorsprünge und rüttelte an den Fensterläden.
In der Nacht schreckte Charly aus dem Schlaf auf, weil irgendein Depp ein Radio hereingetragen und auf Zimmerlautstärke
gestellt hatte. »Mach das Ding aus«, murmelte sie und drehte sich unwillig auf die andere Seite.
Die Stimme verstummte nicht. »Nein! Das habe ich nicht gewollt!«
Wie? Charly setzte sich auf, schüttelte die Haare aus dem Gesicht und tastete nach dem Lichtschalter.
Am ganzen Leib zitternd und mit weit aufgerissenen Augen stand Elena mitten im Zimmer. »Ich hab das nicht gewollt!«, schrie sie wieder und wieder. »Warum glaubt ihr mir nicht?!«
Elenas Anblick jagte Charly einen fürchterlichen Schreck ein. Ihr Mund war auf einmal wie ausgetrocknet, ihr Herz hämmerte, sie sprang aus dem Bett, schüttelte Elena, rief: »Wach auf! Wach auf, Elena! Du träumst!«
Elena stieß Charly von sich, kämpfte mit ihr - aber Charly war stark. Es gelang ihr, Elena in die Arme zu nehmen. Sie wiegte sie hin und her, immer hin und her; endlich ließ die fürchterliche Starre in Elenas Gliedern nach und sie begann zu weinen. Sie schluchzte nicht; die Tränen quollen ihr einfach aus den Augen und rollten die Wangen hinunter.
Charly fand das noch schlimmer als die Schreie, die sie aus dem Schlaf gerissen hatten. Behutsam führte sie Elena zum Bett, breitete die Decke über sie, setzte sich auf die Kante und nahm ihre Hand in die ihre.
Unter den geschlossenen Lidern sickerten Elenas Tränen hervor, Charly summte, der Wind rüttelte an den Läden und blähte die Vorhänge. Bald fühlte Charly, wie ihr die Kälte immer mehr in die Glieder kroch. Als sie Elenas Hand losließ, öffnete die die Augen einen Spalt weit. »Hmmm«, machte sie enttäuscht.
Charly summte weiter; sie holte ihre Decke, löschte das
Licht, wisperte: »Rutsch ein bisschen«, legte sich neben Elena und tastete nach ihrer Hand.
Als sie am Morgen der Gong weckte und sie nebeneinander liegend die Augen aufschlugen, lächelten Charly und Elena sich unsicher und verlegen an. Keine erwähnte den Traum.
Kapitel 6
Montag, 18. Februar
Der fürchterliche Traum hatte seine Spuren hinterlassen und als Elena das Nachthemd über den Kopf streifte, wurde ihr bewusst, dass sie roch und dringend unter die Dusche musste. Natürlich wäre sie am liebsten liegen geblieben, aber wie hätte sie das erklären sollen? Sie hatte sich in eine ausweglose Situation hineinmanövriert, und nun saß sie fest. Im Augenblick sah sie, um Schlimmerem, nämlich neugierig-bohrenden Fragen, zu entgehen, nur eine Möglichkeit: Sie musste mit den Wölfen heulen, musste sich dem Villa-Rosa-Rhythmus anpassen. Dazu gehörte wohl auch, dass sie sich in Gesellschaft einiger Mädchen nackt unter die Dusche stellte.
»Könntest du mir deinen Bademantel leihen?«
Charly bürstete gerade ihre rotblonden Locken. »Niemand hat uns gezeigt, welches unsere Fächer sind, deshalb sind Duschgel und Bodylotion noch in den Manteltaschen. Bediene dich, meine Mutter bezieht das Zeug günstig; sie hat da so’ne
Weitere Kostenlose Bücher