Die Liebesluege
auf, als sie die Stimmen und Schritte der vier hörte. »Elena, du hast uns angelogen!«, rief sie und stemmte die Arme in die Hüften. »Wir finden das überhaupt nicht gut!«
»Ich soll euch angelogen haben?« Elena war viel zu verdutzt, um wütend zu sein.
»Ja! Hast du!« Inzwischen standen auch Victoria und Sophia-Leonie neben Mia.
»Was soll ich gesagt haben?«
»Darling, wir alle waren der Meinung, du hättest kein gutes Verhältnis zu deinen Eltern; nur deshalb würdest du in den Osterferien hierbleiben. Aber das stimmt nicht.«
Charly stellte sich neben Elena. »Was stimmt dann, eurer Meinung nach?«
Mia achtete nicht auf Charlys Frage. »Warum hast du nicht gleich gesagt, dass du in Kunst ein eigenes Werk schaffen willst? Willst dich bei Crupinski einschleimen? Willst dich als Superschülerin outen?«
»So ein Quatsch!« Max legte seinen Arm um Elena.
»Darling, halte du dich da raus. Das ist eine Angelegenheit, über die wir nicht mit dir diskutieren.«
»Was wollt ihr?« Elena stellte die Frage ganz ruhig, obwohl ihr Magen ein schwerer kalter Klumpen war und sie innerlich vor Empörung zitterte. Schon wieder wurde sie der Lüge bezichtigt!
»Du sollst wissen, dass wir Lügen einfach erbärmlich finden.«
»Ja«, bestätigte Victoria. »Wer lügt, ist ein Feigling. Mit einem Feigling wollen wir nichts zu tun haben.«
Elena schüttelte Max’ Arm ab und trat einen Schritt vor.
»Wer hat euch gesagt, dass ich in Kunst ein eigenes Werk schaffen möchte? Wenn ihr schon nicht mit mir diskutieren wollt, hab ich trotzdem das Recht, wenigstens den Namen zu erfahren.«
»Aber gerne doch.« Swetlana und Valerie, die Arme vor der Brust gekreuzt, waren hinzugekommen. »Herr Crupinski hat es uns gesagt.«
»Du musst wissen«, Valerie lächelte verächtlich, »dass man in einem Internat nichts verheimlichen kann.«
»Es wäre spätestens nach den Ferien bekannt geworden, schließlich hätten wir dann alle dein Werk bewundern dürfen«, setzte Swetlana boshaft hinzu.
»Und genau deshalb halten wir dich für eine total beschränkte
Lügnerin. Tut uns leid, Darling, dir das sagen zu müssen.«
»Es … es ist ganz anders«, stotterte Elena.
Swetlana zog die Mundwinkel nach unten. »Das interessiert uns nicht. Fakt ist, dass du dir mit der Lüge einen Vorteil verschaffen willst: Ich will nicht nach Hause, weil ich Schwierigkeiten mit meinen Eltern habe! Das finden wir unglaublich schwach.«
»Das sagst du?«, rief Charly. »Ausgerechnet du? Du wolltest dir doch auch einen Vorteil erschleichen! Hast dir einen Spickzettel in den Strumpf geschoben, du scheinheilige Gans!«
»Moment mal.« Jetzt verschaffte sich Max, der Schulsprecher, Gehör. »Ihr bezichtigt Elena der Lüge. Ich finde, das ist ein so schlimmer Vorwurf, dass sie dazu Stellung nehmen muss. Das ist ihr gutes Recht! Los, Elena, sag ihnen, wie es war!«
Die lauten Stimmen hatten viele Rosianer angelockt; sie standen um sie herum und hörten gespannt zu.
Die alte Elena wäre mit eingezogenem Kopf in ihr Zimmer geflüchtet. Die neue Elena zitterte innerlich und fühlte den kalten Klumpen, der normalerweise Magen genannt wird, und hatte trotzdem die Kraft, eine Frage zu stellen.
»Seit wann«, sie blickte Mia, Victoria und Sophia-Leonie der Reihe nach an, »seit wann macht ihr mit Swetlana und Valerie gemeinsame Sache?«
Sie holte tief Luft, als keine Antwort kam. »Könnte es sein, dass ihr einer Falschmeldung aufgesessen seid?«
Noch immer antwortete keines der Mädchen. »Habt ihr euch bei Herrn Crupinski vergewissert, dass ich ihn und damit auch euch belogen habe?«
»Bravo«, flüsterte Max neben ihr. Das steigerte ihren Mut.
»Flucht nach vorn nennt man das, wenn eine Schuldige den Ball an die Unschuldigen zurückspielt.« Aus Swetlanas Gesicht sprach blanker Hohn. Elenas frisch geborener Mut schrumpfte zu Erbsengröße und hätte sich in Luft aufgelöst, wenn Charly nicht ihre Hand gedrückt hätte. »Swetty, du sprichst wohl aus Erfahrung?«
Jem grinste, Elenas Zeigefinger wanderte zum Mund; im letzten Augenblick beherrschte sie sich und legte die Hände auf den Rücken. »Tatsache ist«, begann sie leise und ziemlich unsicher, »dass wir in meiner alten Schule auch mal mit Papier und Kleister gearbeitet haben. Max und Jems Vogelmensch ist schön, keine Frage«, fuhr sie sicherer werdend fort. »Aber mir kam die Idee, das Gegenstück zu ihrem Vogelmensch zu …«
»… zu schaffen«, half Max.
»Genau. Das sagte ich Herrn
Weitere Kostenlose Bücher