Die Liebesluege
Crupinski. Ich -«
»Moment mal«, unterbrach sie Victoria, aber Elena brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Mir geht es nicht um eine gute Note. Mir geht es darum, herauszufinden, ob ich einen Vogelmenschen so schaffen kann, wie ich ihn mir vorstelle. Genau darum geht es mir.« Sie runzelte die Stirn. »Frau Professor Mori wusste, dass ich nicht nach Hause fahren will. Sie sagte, ich könne in den Osterferien den Werkraum benutzen. So war es. Ihr könnt sie fragen, ihr könnt auch Herrn Crupinski fragen.«
»Moment mal«, begann Victoria wieder. »Wenn es so war, weiß ich erst recht nicht, weshalb du uns mit der Lüge ›ich will nicht nach Hause‹ gefüttert hast.«
»Darling, du hast uns nur eine Teilinfo vermittelt. Du hast das Wichtigste weggelassen.«
»Handelt es sich dann um eine bösartige Lüge?« Charlys
Gesicht war weiß vor Zorn. »Ich meine, ein Mensch hat das Recht, manches für sich zu behalten. Oder -«, sie wirbelte herum, »- Oder bindest du jedem auf die Nase, dass dein Stiefvater dich betatscht, wenn du nur in seine Nähe kommst? Los, Swetty, antworte mir!«
»Das war gemein von dir, Charly!«, riefen einige der Umstehenden, andere klatschten Beifall, und einer meinte: »Das hast du verdient, Lana!«
»Das eine ist Schule, das andere privat«, half Valerie ihrer Freundin.
»Ach ne!« Max schnaubte. »Hat Herr Crupinski gesagt, er würde Elenas Ferienarbeit benoten?«
Victoria, Mia und Sophia-Leonie sahen sich verdutzt an. »Swetlana, das musst du doch wissen.«
»Also?«, hakte Max nach.
»Nein, hat er nicht«, gab Swetlana zu.
Elena atmete auf. »Er hat nichts gesagt, weil darüber nicht gesprochen wurde. Für mich war klar, dass es sich bei meinem Vogelmenschen um eine freiwillige Arbeit in den Ferien handelt. Fragt Herrn Crupinski, ob er mir eine Note geben will. Ich bin sicher, das will er nicht.«
Max baute sich vor Valerie auf. »Was Elena in ihren Ferien macht, das ist, wie du gerade gesagt hast, ihre Privatangelegenheit. Alles in allem hat euch Swetlana auch nur eine Teilinfo gegeben, stimmt’s?«
»Mensch, Lana!« Mia runzelte die Stirn. »Ich schlage vor, wir fragen Herrn Crupinski. Wenn es so ist wie du sagst, Elena -«
»- müssen wir uns bei dir entschuldigen, Darling.«
Die alte Elena hätte sich damit zufriedengegeben, die neue Elena hob die Schultern. »Schade. Charly und ich dachten, wir hätten drei Freundinnen gefunden.«
Die Mädchen schwiegen, machten aber bereitwillig Platz, damit Elena und Max, Charly und Jem weitergehen konnten.
Am Ende des Flurs drehte sich Elena um: Die fünf befanden sich mitten in einer hitzigen Diskussion.
Kapitel 18
Sonntag, 17. März
Am Sonntagmorgen winkten Mia, Sophia-Leonie und Victoria Elena und Charly nicht wie sonst üblich zu, allerdings saßen sie auch nicht mit Swetlana und Valerie an einem Tisch.
Die Terrassentüren standen offen, Sonnenlicht strömte in den Raum und ließ ihn noch freundlicher als sonst erscheinen. So früh am Morgen saßen die meisten schläfrig vor ihren Tellern; sie unterhielten sich mit leiser Stimme, und selbst das Klappern des Bestecks, das Klirren von Geschirr klang weniger laut als zur Mittags- oder Abendzeit.
Als sich Elena und Charly ihr Frühstück am Büfett zusammenstellten, trafen sie auf Poldy und Gordon. »Die Butter ist fast alle, und das Rührei ist wieder mal ein hellgelber Matsch. Wie unappetitlich! Richtig eklig sieht das aus.«
»Guten Morgen, Gordon. Dein Freund hat schlecht geschlafen. Was hast du ihm getan?« Charly lächelte anzüglich und warf ihre Locken nach hinten. »Du solltest ihn besser behandeln.«
Gordon wurde rot. »Ich behandle ihn immer gut. Hast du heute was vor?«
»Es gibt keinen Tag, an dem ich nichts vorhabe«, antwortete Charly fröhlich und schaufelte zwei Spiegeleier mit Speck auf ihren Teller.
»Schade. Ich dachte nämlich, wir könnten …«
»Nur wir beide?«, unterbrach ihn Charly sofort. »Oder hätten wir zu dritt etwas vor, weil dein Freund wie immer Wachhund spielen wird?«
»Nur wir beide«, wiederholte Gordon schnell. »Wir könnten endlich Schloss Chillon besichtigen.«
»Ach? Das wird deinem Freund aber gar nicht gefallen.«
»Mensch, Charly, lass doch Poldy in Frieden!«
»Tu ich ja. Die Frage ist aber: Lässt er mich in Frieden oder sieht er in mir den Supergau?«
»Supergau?«
»Den Supergau«, wiederholte Charly genüsslich, »der eurer innigen Freundschaft den Todesstoß versetzen wird. Das musst du ihn
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