Die Liebesverschwörung
schon!«
»Aber gelächelt hat sie … tscha, so eine Mischung aus Mona Lisa und Frommer Helene, wenn du dir das vorstellen kannst.«
»Sie hat also gelächelt?« Wilhelm verbiß sich mit Mühe sein eigenes Lächeln, das bestimmt furchtbar töricht ausgefallen wäre. Gut, daß er sich nichts vergeben hatte, denn Hermann fuhr fort: »Dann hat sie … du kennst doch die Truhe auf der Diele? Dann hat sie die unterste Schublade aufgezogen, dein Päckchen hineingepfeffert und sie wieder zugeknallt.«
»So, so.«
»Dann ist sie abgerauscht.«
»Gesagt hat sie nichts?«
»Nein. Eigentlich nicht.«
»Und uneigentlich?«
»Wilhelm, ich kann mich nicht dafür verbürgen, aber mir war so, als ob sie ›Trottel‹ gemurmelt hätte. Kann jedoch auch ›Lotte‹ geheißen haben.«
»Kennt sie denn eine Lotte?«
»Nicht daß ich wüßte. Aber wer kennt sich schon bei den Frauen aus. Du weißt ja, dir ist eine Rassestute auch lieber als die hübscheste Frau.«
»Jetzt langt es«, schrie Wilhelm. »Komm hier gefälligst nicht wieder reingeschneit, wenn ich mitten in der schönsten Arbeit bin, verstehst du mich?«
Hermanns Blick fiel auf die Schreibtischplatte und blieb an dem Wörtchen ›Amélie‹ hängen. Wilhelm schielte schräg hoch, ob sein Freund wohl etwas gesehen hatte. Schnell deckte er einen Bogen Papier über das verräterische Wort. Hermann war aber schon klirrend auf dem Wege nach draußen.
»Ich komme wieder, wenn du bessere Laune hast«, rief er über die Schulter zurück.
In der Tat hatte sein Besuch nicht in erster Linie seinem Freund Wilhelm persönlich gegolten. Er hatte vielmehr bereits zwei interessante Gespräche geführt. Eins mit dem Musterdiener Karl, und eins mit der Magd Stine. Beide Male hatte ein Geldschein den Besitzer gewechselt. Stine hatte einige Knickse gemacht. Karl hatte das Geld ungerührt weggesteckt, jedoch in Anbetracht der Höhe der Summe seine Mithilfe zugesichert. Der ›Plan Wilhelm‹ konnte anlaufen.
Beinahe wäre noch alles schiefgegangen, weil Amélie kalte Füße bekam. Aber die liebenswürdige brüderliche Frage »Willst du den Pluttkorten nun im eigenen Saft garkochen oder nicht?« hatte sie neu beflügelt.
»Hoffentlich verderben wir nicht alles«, gab sie noch zaghaft zu bedenken.
»Glaube mir, Amélie, ich kenne den Burschen. Der braucht feste Reithilfen, wenn er richtig über den Parcours gehen soll«, grinste ihr lieber Bruder kaltschnäuzig. »Du darfst jetzt nicht kneifen, so kurz vor dem Ziel.«
Sie seufzte. »Gut, ich tue es!«
»So ist es recht. Komm her, laß dich noch dreimal anspucken, das bringt Glück. Toi, toi, toi.«
Das Treffen fand im Dorf Pluttkorten statt, in dem Stines Eltern ein nettes Häuschen bewohnten, mit einem kleinen Garten, einem Hühnerhof, Kaninchenställen, Schweinekoben und zwei stinkenden Ziegen, die am Weg angepflockt waren und das Gras dort kreisrund abfraßen.
Die Familie besaß auch einen Acker, und ansonsten bezog sie ihre Nahrungsmittel als ›Deputat‹ vom Gutsherrn, für den alle Mitglieder auch samt und sonders arbeiteten. Stine war die vierte von fünf Töchtern. Ein Junge war Vater Aurich nicht beschieden gewesen.
Mutter Aurich schüttelte wiederholt den Kopf. »Hoffentlich wird unsere Stine nu aber auch nicht rausgeschmissen«, jammerte sie. »Der Herr wird vielleicht sehr wütend werden. Schon sein Vater wurde manchmal furchtbar wütend.«
Amélie selber war sich da auch gar nicht sicher. Doch sie bemühte sich um eine überzeugend gelassene Miene und beruhigte die Frau: »Aber gewiß nicht, Frau Aurich. Es geht ja nur um einen Spaß, den mein Bruder und ich vorhaben, und über den wird der Baron sicher sehr lachen.« Als sie sah, daß die Frau immer noch zweifelte, setzte sie hinzu: »Eine Geburtstagsüberraschung!« Das war zwar nicht ganz wahrheitsliebend, aber schließlich sollte Wilhelm v. Pluttkorten sich danach doch wie neugeboren fühlen.
Plötzlich kriegte jedoch die Hauptperson kalte Füße. »Nee, ich tu's nicht!«, schrie Stine. »Ich hab solche Angst vor dem Herrn Baron!«
Am liebsten hätte Amélie gesagt: »Ich auch. Und ich tu's auch nicht.« Doch alles hatte im Leben seinen Preis. Hier mußte vorher gezahlt werden.
»Sie haben schon Geld angenommen«, sagte sie fest.
»Das gebe ich zurück«, heulte Stine.
»Jawohl, das gibt sie zurück«, fiel Mutter Aurich ein wie ein Mitglied im Chor eines griechischen Dramas. Amélie überlegte. Das Mädchen hatte wirklich Angst, die Mutter sorgte sich
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