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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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Regenwasser konnte man zwar sammeln, wenn die Brunnen kein Trinkwasser mehr gaben, aber der Regen verhinderte auch, dass der Fluss auf seinen gewöhnlichen Pegelstand zurückging und die Straßen trockneten, damit wieder Lebensmittel in die Stadt hinein und die Reisenden hinaus gelangen konnten.
    »Geduld, mein Freund«, sagte der Wirt und stopfte sich Tabak in seinen Pfeifenkopf. »Geduld. Der Nordwind bringt zu dieser Jahreszeit immer Regen mit.«
    »Ja, aber meine Geduld ist so gut wie erschöpft, Darshan. Ich habe noch einen weiten Weg vor mir und kann es mir nicht leisten, hier herumzusitzen.«
    »Du musst aber erst einmal bei uns bleiben, es sei denn, die Göttin will es anders. Du solltest dich besser daran gewöhnen.« Darshan zog zufrieden an seiner Pfeife.
    Masen ächzte. »Bitte nimm es mir nicht übel, aber ich muss bald aufbrechen, auch wenn ich dir gern helfe. Es ist überaus wichtig, dass ich meine Botschaft so schnell wie möglich überbringe.«
    »Kannst du nicht … du weißt schon.« Darshan gestikulierte in der Luft umher. Der untersetzte Syfrier hatte Masens Enthüllung mit größerem Gleichmut als die meisten anderen hingenommen und lediglich bemerkt, dass jeder Hammer recht ist, wenn ein Nagel eingeschlagen werden muss.
    »Nein. Ich bin zu weit weg. Einige können besser über große Entfernungen hinweg sprechen als andere. Leider gehöre ich zu den anderen.«
    Der Wirt betrachtete seinen glühenden Pfeifenkopf, während ihm der Rauch zwischen den Zähnen hindurchquoll. »Du trägst keine Livree, also bist du nicht im Auftrag des Kaisers unterwegs. Was könnte so dringend sein, obwohl es nicht Theodegrances Siegel trägt?«
    Es war jeden Tag dieselbe Frage. Darshan war vermutlich einzigartig in seiner Zunft, weil er einfach nicht wusste, wann er reden und wann er schweigend seine Gläser spülen musste. Masen wollte nicht grob zu ihm sein, aber er wurde umso dünnhäutiger, je mehr die Aussicht schwand, noch vor der Wintersonnenwende ein Schiff zu finden.
    »Das ist allein meine Sache«, sagte er und ging zur Küchentür. »Ich mache mich auf den Weg zum Hafen.«
    Er hörte nicht auf das, was Darshan hinter ihm herrief, sondern schlenderte den Kai entlang bis zur Abzweigung des Grünwasserkanals. Die Planken der Brücke gaben unter seinen Stiefeln ein schmatzendes Geräusch von sich. Er musste nicht lange gehen, bis er am Pier ein Ruderboot fand, dessen orangefarbener, schlaff und nass am Bug hängender Wimpel anzeigte, dass es zu mieten war. Ein scharfer Pfiff riss den Schiffer aus seinem Dämmerschlaf, und er ruderte zur nächsten Leiter herüber.
    »Zu den Tiefwasserdocks, bitte.«
    Masen warf dem Schiffer eine Münze zu und kletterte in das Boot. Ohne ein Wort steckte der Mann den Fährpreis ein, holte den kleinen Stock ein, an dem der Wimpel hing, und stieß sich vom Kanalrand ab. Langsam, aber stetig ruderte er durch das Wasser, das von aufschlagenden Regentropfen wie mit Pocken übersät war.
    Es schmerzte Masen, die Stadt so an sich vorbeiziehen zu sehen. In den letzten Jahren hatte er Weißhaven oft besucht und besaß angenehme Erinnerungen an diesen Ort. Er hatte wie ein Kind gejauchzt, als er das mitternächtliche Feuerwerk zu Allerheiligen gesehen hatte, und in der Narrennacht hatte er getanzt, bis ihm die Füße bluteten. Er hatte auf Laken aus Leinen und Seide geliebt und einmal sogar auf einem ungeheuer kostbaren antiken Qilim mit einer Kauffrau geschlafen, während ihre Gäste im angrenzenden Zimmer plauderten und köstliche Weine tranken. All seine Erinnerungen an die Stadt waren heiter, ob sie nun mit den großen Salons des Kaiserwassers oder den Tavernen an den Kanälen zusammenhingen. Keine seiner Erinnerungen trieb ihm die Tränen in die Augen.
    Trotz Darshans tapferer Worte, dass Syfrien sich wieder erholen würde, sah zumindest dieser Teil hier vernichtet aus. Jedes Gebäude stand im Wasser, und der dicke weiße Verputz war an vielen Stellen bereits abgeplatzt. Viele Läden und Lagerhäuser waren entweder von Plünderern oder von hungrigen Menschen aufgebrochen worden, die verzweifelt nach etwas zu essen suchten. Vor den Geschäften, die nicht ausgeraubt worden waren, waren die ruinierten Waren neben den Türen aufgestapelt, und die entmutigten Besitzer lehnten sich auf ihre Besen und betrachteten den Schaden. Masen sah Pelze, Lederhäute und feine Möbel, die so stark beschädigt waren, dass niemand sie mehr haben wollte.
    Heute waren noch einige andere Boote auf dem

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